Viertes Reich 10. Juli 1994

Zur Lehre vom Gemeinwesen


Es kann nicht im Interesse des deutschen Geistes sein, sich in den Kampf, der zwischen den Ideologen der Gesellschaft und denen der Gemeinschaft tobt, hineinziehen und von einer Seite vereinnahmen zu lassen. Ganz im Gegenteil muß uns daran gelegen sein, diesen Kampf zu beenden und die Kombattanten zur geordneten Gefolgschaft zu zwingen, indem sie zu einer systematischen Lehre vom Gemeinwesen vereinigt werden. Zeigt sich die reichsbildende Kraft einer Nation darin, daß sie die benachbarten Völker dazu anhalten kann, untereinander Frieden zu halten, so zeigt sich das geistige Reich dieser Nation in ihrer Fähigkeit, den Fanatismus inhaltlicher und methodischer Einseitigkeiten zu vermeiden und entgegengesetzte Standpunkte als bloße Momente des größeren Ganzen zu erkennen. Ein reichsbildendes Volk ist ein ordnungsbildendes Volk.

Die deutsche Ordnung wiederherzustellen und einen Neuen Deutschen Idealismus als Weltphilosophie neu zu gründen, sei die Lehre vom Gemeinwesen ein Beitrag. In diesem Kapitel wird der Begriff der Gemeinde als Baustein der Gemeinwesen analysiert und (I) als weltliche, (II) als geistliche und (III) als übergreifende Gemeinde skizziert. Erst die übergreifende Gemeinde ist die wirkliche Gemeinde, die das Weltliche ins Geistige und das Geistige ins Weltliche transzendiert. Die Gemeinde ist zunächst ein ganz irdisches Verhältnis der Menschen; dann aber zeigt sich, daß in der Gemeinde der Geist gegenwärtig ist, der sich als Geist Gottes offenbart. Gott ist das Gemeinwesen. Gott ist das wirkende Wesen, das die Gemeinden zusammenhält.

I

Alle Gemeinwesen sind eine Ansammlung von Gemeinden, die zur Teilung einer Gesamtaufgabe und zur Verteilung von Teilaufgaben, somit zu einem Lebenszusammenhang, gefunden haben. Auch bei hochbesonderter Aufgabenteilung bleibt der Baustein des Gemeinwesens die Gemeinde. Das Gemeinwesen ist immer Gesellschaft und Gemeinschaft zugleich, in reiferen Zuständen auch vergesellschaftete Gemeinschaft und vergemeinschaftete Gesellschaft. Die Gemeinde als Elementarform jedes Gemeinwesens ist Dorf und Stadt, später dann verstädtertes Dorf und verdörflichte Stadt, samt Gemarkung. Die Gemeinde ist nur eine solche, wenn sie sich versammelt. Der Gemeindeort ist zunächst bloß Versammlungsort, z.B. als Thingplatz. Erst das Zusammenwohnen macht den Gemeindeort zur Gemeindesiedlung. Der Gemeindeort, ob nun Ansiedlung oder bloße Stätte der Begegnung, sei es einzelner Gemeindemitglieder oder der versammelten Gemeinde als ganzer, ist Kern des Gemeindegebiets. Die Gemeinde ist also nicht nur ein Versammlungsort, sondern zugleich ein Versammlungsgebiet. Die Versammlung selber begründet einen Personenverband aus den Ansässigen eines bestimmten Gebietes: eine Gebietskörperscbaft. Ein Gemeinwesen ist, räumlich betrachtet, ein Verbund von Gebietskörperschaften, also ein Gemeindeverband, inhaltlich aber eine Versammlung von Versammlungen. So wie jede regelmäßige Versammlung etwas ist, das die Versammelten zu tun pflegen, ist die Versammlung selber eine Pflege: ein Kult. Die Versammlung von Versammlungen ist dann ein Kultverband. Mit ihm bildet und pflegt das Gemeinwesen das Gefühl der Zusammengehörigkeit der Gemeinden, sein praktischer Zweck ist der Krieg.

An den Grenzen der Gemeinden bilden sich Stätten ihrer Begegnung, die sich einerseits zu Kultstätten des Kultverbandes, andererseits zu Austauschstätten entwickeln. Aus den Stätten entsteht Gemeinschaft und Gesellschaft, entsteht Staat und Stadt. Die Kultstätte, der religiös-militärische Platz, ist Keim des Staates; die Austauschstätte, der Marktplatz, kann sich zur Stadt entwickeln.

Die europäische Stadt ist eine Marktansiedlung. Burg- oder Kirchenansiedlungen wurden nur zu Städten, wenn sie zugleich Austauschstätten waren und Marktrechte erhielten. Das Dorf hingegen ist eine Ansiedlung im Herstellungsraum, eine Produktionsansiedlung. Moderne Gemeinden sind Gebietskörperschaften, in denen der alte prägende Gegensatz von Stadt, Land und Dorf zur Regionalstruktur eingeebnet erscheint. Gleichwohl bleibt jede Regionalstruktur ein Geflecht aus Gemeinden und jede Gemeinde aus ihren Bestimmungen her analysierbar-. Versammlungsgebiet mit Versammlungsort, der bloße Stätte, aber auch Ansiedlung sein kann, die entweder an der Austauschstätte oder im Herstellungsraum liegt. Die moderne Gemeindeansiedlung ist immer eine dörflichstädtische Mischsiedlung (D,S). Als Gebietskörperschaft ist die moderne Gemeinde Kommune und insoweit Einheit von gemischter Ansiedlung und unbesiedeltem Land (D,S,L), eine Dorf-Stadt-Land-Triade, die sich zur Dyade von Ansiedlung und Nicht-Siedlung vereinfacht. In einem dreistufigen Verwaltungsaufbau vereinen sich alle Kommunen r in allen Regionen q aller Staaten p (als den souveränen Gebietskörperschaften) zur Formel des Gemeinwesens p(D,S;L)q,r.

Siedlung ist die Bewohnung eines Raumes in der Zeit. Insoweit ist der Begriff der Siedlung von dem des Versammlungsraumes und daher des Gemeindegebietes ununterschieden. Ansiedlung ist die Bewohnung eines Ortes, also einer Konkretion von Raum und Zeit, worin Raum gezeitigt und Zeit eingeräumt ist. Ist Siedlung die noch nicht unterschiedene Einheit von Dorf, Stadt und Land, so Ansiedlung entweder Dorf oder Stadt oder beides in bestimmtem Verhältnisse, niemals aber Land als Nicht-Siedlung. Unter einem Wohnsitz sei verstanden die Einzelniederlassung einer Arbeitskraft-Produktionsstätte, sei es die bloße Reproduktionsstätte eines Einzelnen oder die vollständige Herstellungs-, Versorgungs- und Entsorgungseinheit für menschliche Arbeitskraft, wie das eine mindestens drei Generationen umfassende Großfamilie darstellt. Wohnsitze sind somit über den besiedelten Raum eines Gemeindegebietes verstreut oder in Ansiedlungen gehäuft.

Dem Mythos ist das Dorf eine Gründung der Frau, die Stadt eine des Mannes. Das Dorf als Ansiedlung, als Bewohnung eines Ortes, liegt in oder an einem Herstellungsraum, ist aber auch schon in sich selber eine Produktionsstätte, die Menschen erzeugt; das Dorf vereinigt in sich Zeugung, Aufziehung und Züchtigung, also Leben und Arbeiten, Tun und Handeln, Brauch und Gebrauch, Mühe und Freude, Fasten und Feiern. Ein Bauerndorf liegt in seiner Gemarkung, im agrarischen Herstellungsraum; ein Fischerdorf an dem Gewässer, das den Gegenstand seiner extraktiven Tätigkeit bildet. Traditionelle europäische Dörfer sind diese doppelten Herstellungsräume, nämlich in sich selbst die Produktionsstätte der menschlichen Arbeitskraft, die in oder an einem Produktionsraum liegt, in welchem die Produktionsmittel für diese Arbeitskraft, also die Lebensmittel oder Konsumgüter, hergestellt werden. Die Stadt als Marktansiedlung beginnt sich zu verdörflichen mit der Ansiedlung selber, die ja stets innerer Herstellungsraum des Menschen ist. Gleichwohl bleibt der Markt als ständige Austauschstätte und Keim der Vergesellschaftung mehrerer Gemeinden der eigentliche Anlaß und ständige Bestimmungsgrund für die menschliche Ansiedlung an diesem Ort. – Das Bauerndorf dagegen beginnt zu verstädtern und die dörfliche Gemeinschaft sich zu vergesellschaften, sobald der erste Handwerker oder Arzt oder Krämer sich im Dorf niederläßt und Anlässe für Austauschakte schafft. Ambulante Händler oder wandernde Handwerker allerdings haben noch nicht diese Wirkung, die beginnende Verstädterung des Dorfes hängt an der dauerhaften Niederlassung der Fremden.

Mit den oben gesetzten kommunalwissenschaftlichen Kategorien betrachtet ist eine Fabrik die Gemarkung eines Arbeiterdorfes (oder mehrerer). Städtische Wohnviertel sind dann pädagogische Dörfer, d.h. sie produzieren Arbeitskraft, die teils städtisch, also in Austauschstätten, und teils dörflich, also in Herstellungsräumen, verbraucht wird.

Bei den kommunalen Verkehrswegen für Güter, Menschen und Nachrichten ist zwischen Marktstraßen, Dorfstraßen und Feldwegen zu unterscheiden. Marktstraßen führen zu Austauschstätten, Feldwege zu Produktionsstätten und in Dorfstraßen enden beide. Städtische Dorfstraßen, die Wege in Wohnsiedlungen, sind darüber hinaus die Feldwege der pädagogischen Gemarkung und die Marktstraßen für die Ware Arbeitskraft wie für jene Waren, die ihr als Produktionsmittel dienen. Die wirklichen Verkehrswege sind selbstredend alles zugleich, denn der Weg durchs Feld dient dem Spaziergänger als Dorfstraße, dem Feldbebauer als Feldweg und dem Erntewagen als Marktstraße, falls die Feldfrüchte unmittelbar vermarktet und nicht weiterverarbeitet werden. Ein herkömmliches Handwerkerhaus hat nicht nur alle drei Verkehrswege unter seinem Dach, sondern vereint auch den Herstellungsraum der Güter mit dem Lebensraum der Hersteller und der Austauschstätte für ihre Kunden.

Felder sind Herstellungsgebiete in einem Herstellungsraum und durch Feldwege verbunden. Feldweg ist ein Lastenaufzug in einem Fabrikationsgebäude. Die Gasse ist eine Feldwegansiedlung. Eine Handwerkergasse oder eine reine Wohngasse verdorft eine Stadt, aber verstädtert kein Dorf. Die Umgassung von Marktansiedlungen ist die Fortführung jeder städtischen Siedlungsgeschichte in die Verdorfung. Die ursprünglichen Handwerkerhäuser in den Gassen sind deutlich als ackerlose Kleingehöfte zu erkennen. Kirchhofansiedlungen sind im Unterschied zu Städten keine Ansiedlungen an einem leeren und immer wieder zu leerenden Marktplatz, sondern Feldrandsiedlungen am zentralen Anbaugebiet des Gemeinschaftsbewußtseins mit seinem Bewußtseinsgehöft (der Kirche) in der Mitten. Kirch- und Klostergassen, die zu Kirchhöfen und Klöstern führen, ändern nichts am dörflichen Charakter dieser Ansiedlungen.

Gott ist Geist. Der Geist ist das Absolute, das in sich Vollkommene und daher außer sich allmächtig. Der Geist vermag alles das außer sich zu vollbringen, was er in sich zuvor vollendet hat. Schafft er aber dies allseitig und absolut Vollendete, das er selber ist, so schafft er nichts außer sich selber. Aus seiner inneren Vollkommenheit folgt die äußere Allmacht; sie ist seine einzige Unvollkommenheit. Denn der Geist, der Geist bleibt, also absolut vollkommen bleibt, ist weltunfähig. Als Vollkommener ist er natürlich fähig, sich in dieser Unvollkommenheit festzuhalten: in seiner Weltunfähigkeit. Denn könnte er sich nicht in dieser Unfähigkeit festhalten, gäbe es nicht die immanente Entwicklung des Geistes, seine vorweltliche Logik. Dann wäre der Geist vor der Erschaffung der Welt auch unfähig gewesen, sich Gedanken zu machen.

Der Geist ist das In-sich-Vollkommene. Wie aber vollbringt er Taten? Wie schöpft er die Welt? Indem er von seiner Absolutheit abstrahiert, von einer seiner Vollkommenheiten absieht. Der Geist erschafft die Welt durch Absehen von sich selbst. Da der Geist das In-sich-Vollkommene ist, jedes Vollkommene aber ein Vollendetes, macht sich jedes Beginnen, jedes Schöpfen nur aus Entvollung des Kommenden, aus Entvollkommnung. Wer die reine Vollkommenheit wahrnehmen könnte, sähe in der Welt nur den Geist, hinter dem sie selber verschwände. Der Geist als Einer ist ein Einzelner, der handelt, indem er denkt. Denkt der Geist nur Vollkommenes, denkt der Geist nur sich selbst. Sein Gedanke ist dann logisch. Der logische Gedanke kann nur andere logische Gedanken hervorbringen, aber keine Welt schöpfen. Die Logik ist die Gedankenwelt ohne die Weltgedanken. Das System der Weltgedanken ist unlogisch, aber schöpferisch. Es schöpft aus unlogischen Logiken, aus der jeweils eigenen Logik der Sache selber. In den Sachen west ein Stück Welt, das durch die bestimmte Art von Entvollkommnung, von Selbstabsehung des Geistes, geschöpft wurde.

Der Geist als der Eine, der handelt, indem er denkt, ob nun logischmetaphysisch oder unlogisch-weltschöpferisch, wird herkömmlich als Gott benannt. Sicher ist Gott Geist, aber nicht jeder Geist schon Gott. Der Geist weht wo er will. Der Geist ist der absolute Stoff, die Substanz Gottes, seine Natur”, aber nicht er selbst. Gott ist aller Geist als eigenvergemeinschafteter Besitzer seiner selbst. Gott ist Eigentümer allen Geistes, er ist aller Geist und besitzt nichts anderes. Geist ist die Substanz der Person Gottes; kein ungeistiger Besitz an ihm ist denkbar. Der Geist als der Vollkommene und Allmächtige bleibt der absolut Arme; auch nachdem er die Welt geschöpft hat besitzt er nichts von ihr außer sich selber, nichts außer Geist. Insofern die Menschen allen Geist als Besitz Gottes, als einziges Material und Leben seiner Person anerkennen, ist Gott Eigentümer des Geistes, sein rechtmäßiger Besitzer. Wer Gott den Geist streitig macht, verletzt seine Person und mit Seiner Person jede Person. Wer das Gottesrecht verletzt, verletzt das Recht überhaupt und damit auch das Menschenrecht.

Als am Geist Teilhabende sind alle Menschen in Gott vergemeinschaftet. Wer den Geist als Privateigentum sieht und nicht als Eigentum Gottes anerkennt, verletzt das innere Rechtsgefüge auch jeder menschlichen Gemeinschaft. Gott für tot erklären heißt, die Gemeinschaft der Menschen mit der Ewigkeit und dem Kosmos aufzukündigen und jede irdische Menschenvergemeinschaftung dem Untergange zu weihen. Der nicht empfangene, sondern selbstzugesprochene Geist löst sich selber auf, weil die Reste der Vollkommenheit sich in selbstzufriedene Weltlichkeit verflüchtigen. Auch diese totale Weltlichkeit erweist sich dann als unsolide und erscheint immer unwirklicher; die Welt wird erst Wille und Vorstellung, am Ende subjektlose Fiktion.

Gott ist Geist, aber als Geist noch nicht Gott. Der Geist bedarf zu seiner Gottwerdung des Menschen, aber nicht des Menschen als Mensch, sondern des Menschen als Person. Der Geist wird Gott, wenn die Menschen nicht nur sich selber als Personen anerkennen, sondern auch allen Geist, der sie von außen erreicht und von innen zu ihnen spricht. Der Geist wird Gott, wenn die Menschen ihn als Teil des höchsten Wesens begreifen, als Besitz eines Höheren, dessen Gnade sie daran teilhaben läßt. Der inner- und außerweltliche Geist könnte sich auch selber vergöttlichen; er müßte nur sich als Person und somit als Eigentümer seiner selbst begreifen. Die Vergesellschaftung mit den Menschen könnte der selbstkonstituierte Gott dann herstellen, indem er sie als fremde Personen seiner Person entgegensetzt. Die Gottwerdung des Geistes hängt untrennbar an der Personwerdung des Menschen. Ohne Gott kann der Mensch nicht Person werden, und ohne Person zu sein kann der Mensch nicht Mensch bleiben, sondern sinkt unaufhaltsam in seine besondere Tierhaftigkeit zurück. An beider Personhaftigkeit hängt also die Gemeinschaft der Menschen mit Gott, und umgekehrt. Im Menschen schaut Gott die eigene Unvollkommenheit an. Da nur der vorweltliche Geist als Vollkommenheit bestimmt worden war und alle Weltwerdung an der. Entvollkommnung, an der Selbstabsehung des Geistes, an seiner Entgeistigung hing, ist die vorweltliche Vollkommenheit, also der reine Geist selber, nur die Voraussetzung der Weltwerdung, die Welt als Entgeistigung mitsamt ihrer Menschentierwelt aber die Voraussetzung der Existenz Gottes.

Der Mensch ist die Krone der weltlichen Unvollkommenheit, ein endlicher Weltgeist, entstanden aus der Absehung vom ewigen Geist. Als geistiges Wesen ist der Mensch ein Fremdling in der Welt als einer Schöpfung der Entgeistigung wie auch ein Fremder gegenüber dem ewigen Geist, der sich mit der Schöpfung der Welt nur wenig vergeben hat. Aber als Fremder angesichts dieses fremden, unverständlichen Geistes macht der Mensch diesen Fremden nicht zu seinesgleichen, sondern zu seinem Anderen und damit zur Person. Indem der Mensch den ewigen Geist als Person anerkennt, macht er ihn zu Gott.

Daß der Mensch Gott schuf, indem er allen Geist einer überirdischen Person als unverletzlichen Körper, als ihren Privatbesitz, an dem nur die Gnade dieses höchsten Wesens ihn teilhaftig werden läßt, zuschrieb, – dies ist eine gesicherte geschichtliche Tatsache. Der Mensch hat seine Rechtspflichten gegenüber Gott erfüllt, solange er den ewigen Geist als Person anerkannte. Aber wie für die Rechtsverhältnisse unter Menschen gilt auch für das Verhältnis des Menschen zu seinem Gotte der Grundsatz, daß sie sich nur anerkennen als wechselseitig sich Anerkennende. Und so gesichert die menschliche Anerkennung Gottes, so ungesichert ist die Anerkennung des Menschen durch den ewigen Geist. Die unvermeidliche Ungewißheit, ob der Gott, den der Mensch durch seine Anerkennung geschaffen hat, nun seinerseits den Mensch als Person und damit als sein begriffliches Ebenbild anerkennt, bewegt die Glaubensgeschichte als Folge von Beglaubigungen, die von den Naturerscheinungen über die Mysterien, die Wunder, die Offenbarungen bis hin zur innerlichen Gewißheit reichen.

Noch vor allen Freund-Feind-Bestimmungen ist die Glaubensfrage eine solche von Leben oder Tod. Schließlich gibt es nicht nur die Unvollkommenheit der Menschen, sondern auch unverschuldete Schicksale der Völker von wahrlich monströser Ungerechtigkeit. Da kann schon, bei der begrenzten Leidensfähigkeit der geplagten Menschheit, der Zweifel aufsteigen, ob Gott anwesend, geschäftsfähig oder vielleicht gar der vollkommene Betrüger ist. Schließlich hängt von der Personwerdung, von der Anerkennung des Menschen durch Gott, nicht nur die politische und historische Rechtsfähigkeit der Völker ab, sondern auch die Menschwerdung der Welt und damit das Heil der Menschen in der Welt. Ganz zu schweigen vom ewigen Heil. Im Anfang war die Tat. Die Tat ist das Verlöschen des Geistes. Durch die Tat selber wird der Geist, der verlöscht, qualifiziert und allgemein als Tatkraft bestimmt. So wie die vom Menschen gemachte Welt sich als Darstellung seiner Tatkraft erweist, so ist die Welt überhaupt Darstellung des Geistes, der vor der Schöpfung über den Wassern schwebte. Brauchte er die Liebe der Menschen zu sich? Schuf er darum das Unvollkommene, die Welt und ihre Menschen? Bedurfte er ihrer Werke?

Die Werkheiligkeit ist der Versuch, Gott unter Kontrahierungszwang zu stellen. Wenn der Einzelne wie die Gemeinde Werke vollbringt, die von der Lehre als gottgefällig deklariert sind, ist Gott – wie ein Unternehmen für öffentliche Dienstleistungen – zum Vertrage und damit zur Lieferung des vom Dogma ausgewiesenen Heiles gezwungen. Die protestantische Gnadenheiligkeit befreit Gott von diesem Kontrahierungszwang, gibt ihm über seinen Besitz, den Geist, das volle Eigentumsrecht, das durch noch so große Frömmigkeit und asketisch-heilige Werke nicht zum Vertrag, nicht zur Veräußerung von Nutzungsrechten am göttlichen Geist, damit am Heil, gezwungen werden kann. Der göttliche Wille bleibt souverän und wird nicht an Priester-Notare überantwortet.

Im Gemeinwesen der Deutschen mischen sich Katholizismus und Protestantismus, die Heiligkeit der Werke und die Heiligkeit der Gnaden sind im deutschen Volksgeist legiert. Daß in Deutschland die Protestanten wirtschaftlich erfolgreicher sind und auch alle großen Denker stellen, liegt nicht daran, daß Protestanten mehr tun, sondern daran, daß sie mehr unterlassen, insbesondere heilige Werke. Das Unterlassen der heiligen Werke und Vertrauen auf die Gnade Gottes ist ein Freilassen des Geistes, daß jedem puritanischen und calvinistischen Heilsbeweis, der durch Welterfolg zu erbringen ist, überlegen ist. Im Protestantismus ist der Geist wirklich frei, weil Gott und Mensch von der Beweislast befreit sind und weder ein Werkbeweis noch ein Erfolgsbeweis des Heils nötig ist. Andererseits tragen viele Ereignisse d er deutschen Zeitgeschichte den katholischen Zug der Werkheiligkeit; Hitlers selbstloser Kreuzzug gegen den Bolschewismus und das Weltjudentum war durch modern-egoistische Vorwände nur mühsam getarnt (z.B. durch Landnahmepläne im Osten); der eigentliche Zweck lag im Seelenheil der Deutschen: sie hatten ihr heiliges Werk zu erfüllen und – die europäischen Völker vor den Mächten der Finsternis zu schützen.

III

Die Grenze aller menschlichen Gemeinwesen lag schon immer am Horizont, wo sich Himmel und Erde berührten. Dort begann der Unsterblichen Reich. Und an markanten Punkten des Horizonts, auf umnebelten oder besonnten Berggipfeln, lagen auch die Austauschstätten zwischen dein irdischen und dem überirdischen Gemeinwesen, – der Gemeinde der Sterblichen und den Unsterblichen. Ihr jeweiliger Olymp erschien den Völkern als erste Stätte des Austausches, daher als Beginn der Stadt und der Gesellschaft.

Beginn des Staates und der Gemeinschaft sind die im Siedlungsraum liegenden Heiligtümer, Kultstätten, Orakel. Hier handelt es sich um gesinnungsproduzierende Dörfer; deren Gemarkung ist die Gemeinde, das gemeindeüberfassende Gemeinwesen oder gar der von einer internationalen Reputation aufgespannte Kulturkreis. Die Transzendenz der Gemeinwesen ist raum- und zeitgreifend, aber immer auch übergreifend. Was von den historischen Gemeinwesen letztlich bedeutsam bleibt ist, wie weit sie den ewigen Geist enthüllt und Gott durch ihre Anerkennung geschaffen haben.

Der orientalische Weg der Gottwerdung beginnt mit exklusiven Nationalgöttern und endet in der politisch-religiösen Despotie. Der griechische Weg verbindet die verschiedenen Gemeindegötter zu einer organischen Götterwelt. Er führt zum freien Aufbau von innen her, zur Systematisierung einer reichhaltigen Welt des Geistigen und Göttlichen und damit auch zur Hierarchie in der Transzendenz des gesamtgriechischen Gemeinwesens.

Eine christliche Gemeinde soll die Kirche im Dorf lassen. Denn ein Kirchengebäude ist keine Gemeinde und auch kein Dorf und keine Stadt, sondern ein Gemeindeort, und zwar eine Kultstätte. Klöster hingegen sind richtige Dörfer, in denen geistige Kinder gezeugt und aufgezogen werden und die ein geistliches Feld bearbeiten. Insofern sind sie Ansiedlungen im Herstellungsraum, auch wenn sie inmitten einer Stadt liegen.

Der Gott, als in seiner Gemeinde anwesend, ist heiliger Geist. Heilig ist dieser Geist, weil er, bei Strafe des Untergangs, nicht angetastet werden darf. Kein Gemeinwesen kann überleben ohne ein Heiliges, Nichtanzutastendes. Der Einzelne braucht dieses Heilige, um in Eigenvergemeinschaftung seine gesellschaftlichen Rollen zu einem Selbst zu verschmelzen, soll seine Seele keinen Schaden nehmen. Das Heiligtum eines Gemeinwesens ist der Herstellungsraum seines Gemeinschaftsgefühls und daher die Seele des Ganzen. Die Gemeinde braucht ihre Wodanseiche, der Gemeindeverbund seinen heiligen Hain, Völker ihren Nationalgott und Völkergemeinschaften ihr Heiliges Reich. Das Heilige Reich Europas ist immer Deutschland gewesen; wurde ihm die Gefolgschaft verweigert oder gar frevelnd die Hand erhoben, es zu schänden und zu zerstören, erkrankte die abendländische Gemeinschaft an ihrer Seele: Europa zog sich in einem Anfall schwerster politischer Depression aus seiner universellen Weltstellung zurück und wurde der Spielball minderwertiger, raumfremder Mächte, politischer wie geistiger.

Einst hat die althochdeutsche Sprache sich aus dem Gemeingermanischen entwickelt; Begriff des Deutschen ist es seitdem, das Gemeinschaftsunternehmen der germanischen Volksgeister zu sein und damit die Vernunft der europäischen Staaten, ihre gemeinsame Zielrationalität, zu verkörpern. Europa wieder herstellen heißt zuvörderst, seine Heiligtümer wieder aufzurichten. Der Gott des Abendlandes muß sich wieder zum obersten Herrn der Welt erheben und die Götter des Orients unterwerfen. Das Heilige Deutsche Reich zu erneuern setzt voraus, daß das Allerheiligste des deutschen Volksgeistes restauriert wird: der Deutsche Idealismus.

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