Viertes Reich 15. August 1992

Wesen und Verfall Amerikas


Amerika werde, so hat Hegel zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorhergesagt, sich gegen Europa wenden, sobald seine kontinentale Landnahme beendet sei und die offene Westgrenze am Stillen Ozean ihren natürlichen Abschluß finde. Hegels Vorhersage 1 hat sich erfüllt. Heute ist Europa amerikanisiert, nachdem es in zwei Weltkriegen nur von Deutschland und seinen Verbündeten verteidigt wurde – vergeblich, weil England und Frankreich, die außereuropäisch ausgerichteten Kolonialmächte am Westrand unseres Erdteils, sich zu Brückenköpfen Amerikas herabwürdigten.

Gleich nach der Landung auf Sizilien die Staatsverwaltung zu zerstören und die Mafia wieder an die Macht zu bringen – das war Amerikas Eröffnungszug bei der Eroberung Europas. Die Erzwingung einer zweiten Systemzeit, also die Restauration des Parteiensystems in liberaler und bolschewistischer Variante, war der nächste Schritt zur Ersetzung europäischer Staatlichkeit durch Klassenherrschaft, wobei anfangs noch nachvollziehbare Gesellschaftsklassen, dann die politische Klasse und endlich die Klasse der Lumpen, das organisierte Verbrechen, zur Herrschaft kamen. Fast überall in Europa mehren sich die Anzeichen für Regierungskriminalität, die Macht liegt anscheinend in den Händen einer Koalition aus politischer und krimineller Klasse. Solche Verhältnisse sind aber zutiefst amerikanisch.

Das politische Denken ist am Ausgang des 20. Jahrhunderts im Umbruch von der Utopie zum Topos. Aus Nirgendwo kehren wir heim zum Gemeinplatz. Das Nirgendwo ist das Überall der nomadischen Weltbemächtigung, das ubi bene ibi patria jener Drittweltler, die – die Einheitswelt preisend – unter dem Banner der Menschenrechte jedes wohlwirtschaftende Kulturvolk abweiden wollen.

Das Nirgendwo ist überall; als politische Macht will es überall sein und überall herrschen: Es ist Globalinterventionist und Globalimperialist. Diese Macht ist utopische Macht schlechthin, die die Macht der Utopie entfaltet. Die Utopie als Macht ist die Macht der Entortung, die an zeitweisen Hauptlagerplätzen sich sammelt. Derzeitiger Hauptlagerplatz der nomadischen Weltherrschaft ist Amerika. In seiner Wirtschaft dominiert nicht das herstellende Kapital (als Mittel des Unternehmers), sondern das abgrasende Kapital (als Gegenstand des Spekulanten).

Die gegenständliche Kapitalauffassung ist außergeschichtlich und extraktiv-nomadisch; sie ist amerikanisch-jüdisch. Die mittelhafte Kapitalauffassung ist technisch-geschichtlich und seßhaft-herstellend; sie ist deutsch-germanisch. Als Militärmacht ist der nomadische Utopismus ein See- und Lufthüpfer, ein Wüstensturm, ein Waldentlauber und Feldvergifter, seine Taktik ist der Überfall. Die topische, fest verortete Militärmacht hingegen gründet auf dem Heer.

Seemächte wie Amerika sind nie fest begründet; sie schwimmen. So kann es mehrere Landmächte von Weltrang nebeneinander geben, aber immer nur eine Weltseemacht. Das Land gibt Maß, das Meer verführt zur Maßlosigkeit. Jede Seemacht hat das utopische Wesen des Weltmeeres an sich. Diese Mächte neigen außerdem zum parasitären Schiffsnomadismus, der früher oder später auf Grund läuft oder versenkt wird, wodurch die utopische Macht den ihr bestimmten Boden findet: den Meeresboden.

Seemächte sind Imperialisten. Sie bilden unheilige Reiche, weil das Meer keine Heiligtümer kennt, weder Balken hat noch die Himmelssäule trägt. Kein Götterhain und kein heiliger Berg finden sich in diesem Element, keine Ordnung und kein Recht vermögen im Wasser zu wurzeln. Das flüssige Element, wo es nicht im Boden versickert, sondern zur Ungeheuerlichkeit des Meeres sich versammelt, rechtfertigt kein Zutrauen, sondern stetes Mißtrauen im Bewußtsein von der Allgegenwärtigkeit der Gefahr. Dem Meere darf man so wenig vertrauen wie der Seemacht.

Das Meer schafft keinen Glauben, sondern neben seeräuberischer Grausamkeit die Frömmelei wie die Heuchelei. Im anglo-amerikanischen Falle wird sie überwölbt vom kalvinisch-puritanischen Utopismus der Erfolgsheiligkeit, also vom Wahne der Erringbarkeit ewigen Heils im Jenseits durch anschlußvermehrende Gesellschaftstätigkeit im Diesseits. Englands Verschwinden als Welt- und Seemacht kann mit Einschränkungen als paradigmatisch gelten für den Untergang der Vereinigten Staaten von Amerika.

Amerika ist eine ganz besonders utopische Macht, deren Projektionen sich nicht in denen einer klassischen Seemacht erschöpfen; Amerika beschränkt sich nicht auf Krieg, Handel und Piraterie, nicht auf Globalstrategie und ozeanischen Größenwahn, der die Küsten fremder Erdteile als militärisch zu besetzende Gegenküste betrachtet. Erst im Krieg der Sterne, im kosmischen Utopismus von der Schiffahrt im All findet Amerika seinen vollen Wesensausdruck.

Daß Amerika wurde, was es ist, hat mehrere Ursachen. Vor allem ist es Neue Welt und damit der Abfall von der Alten Welt. Amerika ist der Abfall von Europa, versetzt mit Nomaden. Es ist ein Bevölkerungsamalgam aus Philistern und den Vertriebenen des Paradieses, aus entwurzelten Europäern der Unterschicht und aus Ostjuden. Weil aber die größte Einwanderergruppe der Vereinigten Staaten von Amerika nicht die Engländer, sondern die Deutschen sind (28 v.H.), ist der Aufstieg der utopischen Macht der Neuen Welt eine deutsche Schuld gegenüber der Geschichte, die mit zwei verlorenen Weltkriegen und einer gewonnenen Nachkriegszeit noch nicht getilgt ist, sondern erst mit der Europäisierung Amerikas.

Europa muß sich jetzt entamerikanisieren, seine Geschichtsfähigkeit wiederherstellen und die Macht der Utopie brechen, indem es die utopische Macht beseitigt. Die USA sind überwindbar durch Verortung seiner Einwohner in national homogenen Siedlungsräumen, worin sie sich sprachlich und sittlich neu einvolken und zu ihren europäischen Muttervölkem besondere Beziehungen herstellen können.

Es sollte also in Nordamerika nicht nur ein französisches Quebec und ein englisches Neu-England, sondern vor allem Deutschamerika als größten der neuen Volksstaaten sowie bedeutende neu-skandinavische Länder geben. Mit großer Wahrscheinlichkeit, schon auf Grund des Druckes nichteuropäischer Bevölkerungen, werden die wiedereuropäisierten Nationalstaaten Nordamerikas es sich wünschen, in die Weltordnung des Europas der Völker eingegliedert zu werden.

Wenn Deutschland nicht den europäisch-nationalstaatlichen Entwicklungsgang für Amerika erzwingt, werden die USA weiterhin den amerikanischen Weg in Europa und dem Rest der Welt durchsetzen; dann wird Europa auf amerikanische Weise und gemeinsam mit Amerika enden: entweder in einem blutigen Rassenkrieg, gleichzeitig auf beiden Seiten des atlantischen Ozeans, oder in einer stehengebliebenen Gesellschaft des indischen Typs, worin Klassen- und Rassengegensätze sich zu einem Kastensystem verfestigt haben. Die Dekonstruktion Amerikas mitsamt seiner Rekonstruktion ist also nicht nur eine Frage von Sein oder Nichtsein für Deutschland und das Europa der Völker, nicht nur eine allgemeine Entscheidung zwischen Chaos und Ordnung in der Welt und im irdisch zugänglichen Weltraum, sondern auch die Wegscheide von Erstarrung und Entwicklung.

Die Zusammensetzung der amerikanischen Ideologie ist eine verteufelte Mixtur aus Puritanismus, Alttestamenterei, Neuweltlichkeit, Gesellschaftsabsolutismus, Wild -West – Mythos sowie Missionarismus aus Unterlegenheitsgefühl (wie beim Polonismus und beim Panslawismus der Russen und Serben). Die Ideologie des Amerikanismus ist noch um einige Säuregrade schärfer als der Panslawismus, weil der Amerikanismus über den puritanischen Biblismus das menschheitsfeindliche Auserwähltheitsideologem in sich aufgesogen hat.

Die Pilgerväter waren, als sie nach Amerika auswanderten, Träger einer am europäischen Religionsgeschmack gescheiterten Extremsekte der kalvinistischen Reform. Der Kalvinismus war seinerseits schon ein gescheiterter Reformversuch des katholischen Glaubens, der in die Verabsolutierung der Gesellschaft sich verrannt hatte.

Der Puritanismus ist ein mit Engländern aufgeführter jüdischer Fundamentalismus, der schließlich den bloß ideologischen Juden, den Schiffs- und Kapitalnomaden vom WASP-Typ, entgleiten und in die Hände wirklicher Juden fallen mußte. Jetzt, zum schlechten Anfang vom guten Ende der utopischen Weltmacht, wedelt der Schwanz Israel mit dem Hund USA, der apokalyptische Wüstensturm Jahwes treibt atomare Brandschatzung bei allen Kulturvölkern rund um den Globus. Diese Form nomadischen Gelderwerbs ist jedoch sehr instabil; sie wird bald untergehen, denn die staatliche Nukleardrohung ist mit sehr viel mehr Risiko behaftet als der erwartbare private Nuklearterrorismus.

Scheitert der Vertrag über die Nichtweiterverbreitung der Atomwaffen am Schwarzmarkt, dann ist die außenpolitische Hauptwaffe gegen die Wiederauferstehung des Deutschen Reiches stumpf geworden. Die Verbilligung und Verbreitung taktischer und partisanentaktischer Atomwaffen bei kleinen und existenzbedrohten Mächten, insbesondere aber ihre Popularisierung bei den nationalen Befreiungsbewegungen der staatslosen Völker, die der amerikanische Totalitarismus als Un-Völker behandelt, wird die weltpolitische Blockade gegen Deutschland beenden, weil es als Atom- und Atomordnungsmacht nötig sein wird. Nichtdiskriminierende Atomwaffenverfügung und die ABC-Waffe als allgemeines Wahrzeichen souveräner Völker wird alle disziplinfähigen und technisch hochentwickelten Mächte zur Wahrung der Ordnung in diesem Zustand der Völkerfreiheit unentbehrlich machen. Die Achsenmächte Deutschland – Japan werden zumindest die technischen Führungsmächte einer Welt sein, in der das Prinzip Ein -Volk – ein – Staat mit allen waffentechnischen Freiheiten durchgesetzt ist, mitsamt der nur völkerrechtlich zu ordnenden Gefahren, die aus diesen Freiheiten erwachsen.

Das katholische Dogma hatte die Bibel und besonders das Alte Testament weitgehend vergessen gemacht; eine Europäisierung des Christentums, dieser morgenländischen Religionsvariante, durchgesetzt zu haben, das war unbestreitbares, geistesgeschichtliches Verdienst der Katholischen Kirche. Mit den Übersetzungen der Bibel in die europäischen Volkssprachen durch die protestantischen Reformer drang die Barbarei und der Größenwahn des semitischen Originals in das religiöse Bewußtsein der Europäer ein.

Wo nun die germanische Reform der katholischen Kirche, anders als bei Luther, mißlang, wie in den westeuropäischen Reformvarianten Anglikanismus, Puritanismus und Kalvinismus, dort blieb ein verstümmelter Katholizismus übrig, der die Werkheiligkeit durch die Erfolgsheiligkeit ersetzt hatte und der die Entgemeinschaftung, die Vereinzelung und schließlich das Unheilige Reich, den frömmelnden Imperialismus und globalen Interventionismus, hervortrieb.

In den westlichen Reformversuchen des kalvinischen Typs wurde nämlich das Moment der Gesellschaftlichkeit am menschlichen Gemeinwesen verabsolutiert und der gesellschaftliche Erfolg oder Mißerfolg des Einzelnen zum Beweis seines ewigen Heils oder seiner ewigen Verdammnis genommen. Die gewaltsame Durchsetzung dieser Weltanschauung in ihren religiösen, weltpolitischen und gesellschaftspolitischen Gestalten machte den Weg frei zur Verwandlung der Welt in einen Abfallhaufen. Mittels Kapitalismus und Demokratie werden alle hergebrachten Ordnungen zerstört, die Völker in den Abfallhaufen der Weltbevölkerung und die Volkswirtschaften in den Abfallhaufen der Weltressourcenbewirtschaftung verwandelt.

Kapitalismus und Demokratie haben eine ungebremste Zerstörungskraft, wenn sie nicht von Denkfiguren, die ihnen wesensfremd sind, beschränkt werden und ihre atomistisch-quantitative Eigenart ungestört entfalten können. Diese atomistische Weltsicht konzentriert sich dann ganz und gar auf die Währungseinheiten, in denen Kapitalien und ihre Gewinne, und auf die Stimmenzahlen, in denen demokratische Herrschaftspotentiale und ihre Machtzuwächse gemessen werden. Demokratie und Kapitalismus haben dieses atomistische Quantitätsdenken gemein; es endet in der Zerstörung aller Güter und aller Völker durch ihre Verwandlung in Währungseinheiten und in Stimmbürger. Die Einheitswährung für alle Weltkapitalien und das Einheitsstimmrecht für alle Mitbürger der Weltbevölkerung sind die logische Endstufe der kapitalistisch-demokratischen Denkfigur. In ihr ist eine Demokratie um so berechtigter, je größer die Zahl ihrer Stimmbürger, weshalb Demokratie auch nicht Herrschaft eines Volkes über sich selbst bedeutet, sondern Zerstörung aller wirklichen Völker, die dann sämtlich nur noch als Minderheit angesehen werden (wie heute etwa das Burenvolk), deren Herrschaft über sich selbst unstatthaft sei und sanktioniert werden müsse.

In Amerika ist diese Schreckliche Neue Welt wirklich geworden. Dem Schrecken ohne Ende folgt in der Regel ein Ende mit Schrecken. Dieser größte Schrecken steht der USA noch bevor. Der sittliche und wirtschaftliche Niedergang wird solange anhalten, wie man diesem größten Schrecken aus dem Wege zu gehen versucht: dem Rassenkrieg als Bürgerkrieg. Der rechte Zeitpunkt für eine Kantonalisierug der USA ist anscheinend schon versäumt.

Das beste Ende der USA wäre ihre Europäisierung, wäre die Zerlegung der totalitären Einheitsgesellschaft vom individuell-liberalistischen Typus in souveräne Volksstaaten, d. h. in reelle Nationen nach dem Grundsatz Ein – Volk – ein – Staat. Das schlechteste Ende der USA wäre der Rassenkrieg, der, aller Wahrscheinlichkeit nach, natürlich-rassisch definierte Neuvölker ausschmelzen würde und keinen geschichtlich-kulturellen Anschluß an die Muttervölker brächte. Vom Ende der USA erleben wir heute einen schlechten Anfang: Der demokratische Kapitalismus scheint weltweit zu triumphieren.

Gleichzeitig unternehmen seit einigen Jahren amerikanische und kanadische Denker den Versuch einer geistigen Selbstheilung ihres Halbkontinents. Gesammelt haben sie sich unter dem Schlagwort des Kommunitarismus, also dem der Gemeindlichkeit, der kommunalen Gemeinschaft. Sie berufen sich auf den Geist der Gemeinschaft jener frühen Kommunen der Pioniere aus der Landnahmezeit.

Der Kanadier Charles Taylor bemängelt das Defizit an Repräsentation in der liberalen Demokratie und postuliert im Anschluß an Herder, Humboldt und Hamann den Primat des Metaphorischen im Gemeinwesen, das er als sprachlich zum Ausdruck findende Menschenvergemeinschaftung auffaßt. Er wendet sich philosophisch gegen den Falsifikationismus wie gegen das materielle Sender-Empfänger-Modell der Sprache, die ihm eine Findungsgemeinschaft ist, ein ununterbrochenes Zur-Sprache-Finden. Den dinglichen Wirklichkeitsbezug der Sprache sieht er durch die menschliche Aktivität gewährleistet. Daran ist soviel richtig, daß die Spracherzeugung ganz wie jede Menschen- und Volkserzeugung einer Zeugungslogik folgt, die immer eine Gemeinschaftslogik ist, aus der die Herstellungslogik der dinglichen Güter sich ableitet.

Andere Namen der kommunitaristischen Debatte sind Alsdair MacIntyre, William Sullivan, Michael Sandel, Robert Bellah und Michael Walzer. Ihre gemeinsame Überzeugung ist es, daß das Wesen der ungelösten Gegenwartsfragen in den westlich geprägten Ländern nur durch Rückbesinnung auf den Begriff der Gemeinschaft in den Blick zu bekommen sei. Der Gegenwart attestieren sie, eine Periode beschleunigter Vereinzelung zu sein, welche immer destruktivere Folgen zeitige und die amerikanischen Institutionen schwäche und zersetze. “Die Amerikaner”, schreiben Bellah u. a., “haben die Logik der Ausbeutung so ziemlich bis zum Äußersten getrieben. Es hat den Anschein, daß das nicht nur zum Scheitern auf höchsten Ebenen führt…, sondern auch zum persönlichen und familiären Zusammenbruch im Leben unserer Bürger. Die Zeit ist reif für ein neues Paradigma, dessen Grundmuster auf Kultivierung und nicht auf Ausbeutung zielt. „Es komme auf die Wiedergewinnung von Sinn und Zielen im Zusammenleben der Amerikaner an. “Was über lange Zeit als Idealismus abgetan worden ist, scheint heutzutage der einzig mögliche Realismus zu sein …” (FR 28. l. 92).


Dieser Text ist auch noch in klassischer Papierform bei verschiedenen Anbietern erhältlich.

In den Begriffen Hegels heißt das, die Amerikaner in ihrer derzeitigen individualistischen Verfassung verharren auf den Entwicklungsstufen des abstrakten Rechts und der Moralität, die Hochebene der Sittlichkeit bleibt für sie unerreichbar. Auf der Stufe der Moralität ist das Recht verinnerlicht und insoweit nicht mehr abstrakt, dafür aber den wilden Wünschen dieser Innerlichkeit ausgeliefert. Erst in der Familie sind diese Wünsche sittlich, weil das Individuum in dieser durch Liebe gestifteten Gemeinschaft aufgehoben ist, hier seinen individuellen Betätigungsdrang sowohl ausleben als auch einem sittlichen Ziel, dem Gemeinschaftsziel des Familienwohls, unterordnen kann. Daß es eine Familie in diesem europäischen Sinne in Amerika nicht gibt, sondern lediglich private Gesellschaftsverträge, zeigt schon die Tatsache, daß ein amerikanischer Farmer seinem mitarbeitenden Sohne Arbeitslohn zahlt; sobald zwischen Eheleuten oder Eltern und Kindern Vertragsverhältnisse eintreten, ist die Ehe realiter geschieden und die Familie aufgelöst.

Der amerikanische Liberalismus denkt das Individuum, wie William Sullivan in seinem Buch Reconstructing Public Philosophy (Berkeley 1982) ausführt, als von seinen Leidenschaften getrieben, in Furcht vor Mißgeschick und im Streben nach Bequemlichkeit, so daß alle menschlichen Beziehungen seiner Persönlichkeit äußerlich bleiben, im abstrakten Recht, also unsittlich. Dadurch würden Gemeinschaftsbeziehungen (die Sullivan Werte nennt) aufgelöst und in reine Machtbeziehungen verwandelt. Dem entspreche ein Begriff vom Wissen als der Auflösung komplexer Ganzheiten in einfache Elemente, weshalb der Liberalismus dem modernen Glauben an die Wissenschaft als einer Macht der Analyse und Rekombination zu Kontrollzwecken eng verbunden sei. In dieser sozialen Anwendung sei die Vernunft instrumentell geworden, ein Mittel zur Befriedigung individueller Wünsche, und Politik zum Machtkampf entartet. Weil aber die Vernunft kein Mittelbegriff, sondern ein Zielbegriff, und die Politik kein Machtbegriff, sondern ein Rechtsbegriff ist, folgt aus Sullivans Analyse sowohl die Unvernunft als auch die Politikunfähigkeit des Liberalismus im allgemeinen und Amerikas im besonderen.

Sullivan resümiert: „The whole liberal construction of an analytic science, an individualistic motivation, and an instrumental, utilitarian politics, which has seemed a complete and objectiveley secured – almost self-evident – view of human affairs, is now at sea.”2 (p.28) – Amerika schwimmt, es ist „at sea”, d. h. grundlegend verwirrt. Die Dynamik des Zersetzungsprozesses weist Sullivan zufolge in Richtung der Auflösung aller sozialen Bindungen und im Extremfall zurück zum Naturzustand des Kampfes aller gegen alle; „the near desperation of the proponents of philosophic liberalism is understandable” 3 (p. 58). Die Vorherrschaft der liberalen Ideologie in der öffentlichen Debatte verschlimmere das Problem: Die marktzentrierte Gesellschaft der Konkurrenz und der Erfolgsheiligkeit habe die liberale Errungenschaft der Sicherheit des Einzelnen und der allgemeinen Wohlfahrt unterhöhlt, und zwar durch nichts anderes als das Wirken des Liberalismus selber. Sullivan hält dagegen, daß der Einzelne und der Bürger nur zusammen mit dem commonwealth, dem Gemeinwesen, gedacht werden und ein menschliches Zusammenleben ohne die stabilisierenden Effekte einer lebendigen Gemeinschaft und ohne religiöse Lebensformen nicht gelingen könne.

In den Theorien der nordamerikanischen Kommunitaristen zeigen sich schon die religiösen Sollbruchstellen im vorhersehbaren Staatsuntergang der USA. Hauptunterschiede lassen sich zwischen klassisch-aristotelischer, katholisch-aristotelischer, deutsch-idealistischer und modern-judaistischer Denkrichtung ausmachen. Alle nicht-judaistischen Denker sind Modernismus-Kritiker, der amerikanische Jude Michael Walzer dagegen trägt den Gesellschaftstotalitarismus, die Einwanderungsideologie und den Kult der Moderne in die kommunitaristische Debatte hinein. Er meint, daß sich die politischen Ideen der Moderne aus einem Überlieferungsstrom herleiteten, der sich bis zu den Ursprüngen der jüdischen Religion zurückverfolgen lasse, und er meint dies völlig zu Recht. Die moderne Freiheitsidee sei nichts weiter als eine interpretierende Fortschreibung der Exoduserzählung der hebräischen Bibel, und der Gesellschaftsvertrag des Aufklärungsdenkens sei nach dem Muster der israelitischen Vorstellung vom Bunde Gottes mit seinem Volk entworfen. Daraus folgt für Walzer das Konzept einer interpretativen Moral für die Welt der Gegenwart4 insgesamt, also ihre Talmudisierung. Damit stellt er den derzeitigen Geisteszustand der amerikanisierten Welt – die ewige Interpretation einer ruhelosen Wanderung – als erstrebenswertes Ziel dar; folglich ist Walzers Denken nicht kritisch, sondern affirmativ. Walzers Dreh, sein Denken doch noch als kommunitaristisch-gemeinschaftsbildend darzustellen, besteht darin, die liberalen Gesellschaften des Westens, also den Gesellschaftstotalitarismus selber, als Wert von gemeinschaftsstiftender Kraft auszugeben, der in ständiger Interpretation seiner ahasverischen Wanderungsgeschichten zu überliefern sei. Eine solch interpretative Erkenntnistheorie anzuerkennen hieße, den Talmudisten einen ewigen Sieg im Weltbewußtseinskrieg zuzugestehen.

Sind die Kommunitaristen noch insgesamt als Kritiker amerikanischer Zustände anzusehen, so die Kontraktualisten (z.B. Nozik, Rawls) als deren offene Affirmatoren. Jedes absolute Vertragsdenken kommt zum Ideal des Minimalstaates und endet vor dem Problem, der verelendeten Masse, der anschwellenden Sozialklientel, eine Form der Subsistenz zu gewähren, die nicht in food stamps, sondern in Geldzahlungen besteht, so daß bei ihnen über die Geldillusion und die (minimalisierte) Zugehörigkeit zur Konsumentenklasse eine kontraktualistische Ethik, also der freie Warenerwerb, zumindest formell aufrechtzuerhalten ist.

In Amerika hat der Klassenkampfgedanke nie wirklich Fuß fassen können, weil der Rassenkampf um diesen riesigen Raum sinnlich faßbar blieb: gegen Indianer, Neger und nichteuropäische Einwanderer. Umgekehrt kann der Rassenkampf aus dogmatischen Gründen völlig verneint werden (wie dies in der ehemaligen Sowjetunion tatsächlich der Fall gewesen war), er wird trotzdem mit Macht wieder hervorbrechen, denn jedes geschichtliche Klassenkampfkonzept im Sinne des Gesellschaftstotalitarismus bleibt auf den natürlichen Unterschied der Menschen angewiesen, um zwischen ihnen einen Unterscheid treffen zu können. Als Warenbesitzer und damit als Teilnehmer der bürgerlichen Gesellschaft unterscheiden sie sich nicht, vielmehr gleichen sie sich, denn am Markt ist eine Ware wie die andere und geringe Wertgröße des Warenindividuums ist durch Warenmasse aufzuwiegen. Der Kampf der Warenklassen gegeneinander wird zwar um die Maximierung der Wertgrößen geführt, dient also der Bestimmung des realen Tauschverhältnisses und seiner Normen, kann sich aber nicht an den identischen Verkehrsformen der Waren ausrichten, sondern allein an ihren nichtidentischen Naturalformen. Eine dieser Naturalbestimmungen an den Gütern und Vorgängen ist die Rasse, aber auch die Menschlichkeit, die Schönheit, die Natürlichkeit und Umweltverträglichkeit, der Artenschutz, die Haltbarkeit, die technische Reife, die Pflegebedürftigkeit oder die Humanisierung der Arbeitsplätze. Weltgeschichtlich ist denn auch Klassenideologie von Rassenideologie wiederholt abgelöst worden.

Der größte Teil der US-Bevölkerung wurde gebildet – ganz im Gegensatz zur ehemaligen SU-Bevölkerung – aus der Addition von Individuen, die, eines nach dem anderen, durch den Filter der Einwanderungsbehörden der großen Hafenstädte hindurchgegangen sind. Diese Individuen waren entwurzelt und, was das Entscheidende ist, sie hatten sich in einem Willensakt selbst entwurzelt. In Amerika bevorzugen sie zwar die Nachbarschaft von Einwanderern gleicher oder verwandter Volkszugehörigkeit, bilden also mehr oder weniger scharf abgegrenzte nationale Ghettos, die aber bislang nicht die Kraft haben, zu dem Boden eine ausschließliche Bindung, eine Heimatbindung eben, zu entwickeln. Solange die Nachkommen der ehemaligen Einwanderer auch in Amerika entwurzelt leben, ohne eine besondere, stammesmäßig und völkisch definierte Beziehung zu dem Land, auf dem sie siedeln, zu einer besonderen Heimat von fremdausschließender Kraft, behält Amerika den Charakter eines Einwanderungslandes. In diesem Sinne bedeutet ein Einwanderungsland immer Heimatlosigkeit in dem Land, in dem man wohnt und dessen Bürger man ist.

Nur ein Einwanderungsland konnte die formelle Staatsnation erfinden, also die abstruse Vorstellung entwickeln, man werde durch einen behördlichen Akt, durch die Erlaubnis, innerhalb eines Territoriums sich niederzulassen, zu einem Volksgenossen. Die entsprechenden Vorstellungen im Frankreich von 1789 ff. sind amerikanischer Import durch freimaurerische Ideenhändler.

Amerika behandelt die Gesellschaft als eine Ansammlung von Gruppen, den Staat aber als Summe einzelner Bürger. Der amerikanische Staat ist somit eine Einrichtung des abstrakten, äußerlichen Rechts, die aus Bürgern als Trägern von Menschenrechten besteht, und die amerikanische Gesellschaft ist das Kampffeld der Gruppenbelange. Beide sind vorsittliche Erscheinungen, die es bestenfalls zur Moralität bringen. Die Existenzmöglichkeit der USA bleibt erhalten, solange die scharfe Scheidung von Staat und Volk beibehalten werden kann. Schon ein souveräner Volksstaat Quebec könnte die Staatsräson der USA, wonach Volksgruppen immer nur freiwillige Gesellschaftsverbände sein dürfen, ins Wanken bringen. Der amerikanische Staat ist utopische Macht und der Versuch, die unsittliche Idee der über die Völker sich erhebenden Staatssouveränität zu verwirklichen. Das Experiment USA kann schon heute als gescheitert gelten. Die tatsächliche Selbstzerstörung des US-Staates bedarf einerseits stärkerer Stöße als der Zerfall des SU-Staates, wird andererseits aber aller Wahrscheinlichkeit nach weit schmerzhafter und blutiger verlaufen, weil der Liberalismus, im Unterschied zu seinem kleinen radikalen Bruder, dem Bolschewismus, noch nicht einmal zu einer Scheinlösung der Nationalitätenfrage gekommen ist.

Das Einwanderungsland USA, das seine eigene Entstehungsbedingung der Welt als Doktrin aufzwingt, ist der Todfeind aller gewachsenen Völker, weil seine Doktrin auf nichts anderes als auf den Volkstod dieser Völker zielt. Zu diesem Zweck hat die amerikanische Gesetzgebung schon im 19. Jahrhundert die Selbstbefreiung vom Vaterland, die Entvaterlandung der in Amerika anlandenden Einwanderer, zum Naturrecht eines jeden Menschen auf diesem Erdball deklariert: “Expatration is a natural and inherent right of all people”5 (Act of Congress of July 27, 1868). Diese amerikanische Vernichtungsstrategie gegen die wirklichen Völker, geführt im Namen demokratisierter Massen, hat heute den Höhepunkt seiner Angriffslust erreicht: Ein europäisches Land nach dem anderen definiert die amerikanisierte Weltmeinung zum Einwanderungsland um. Unter ihrem allgegenwärtigen Zwang wagt es keine europäische Regierung, das Jus sanguinis ihrer Staatsangehörigen zu verteidigen; stattdessen wird die Politik des amerikanischen Immigrationismus vollzogen, und zwar ohne die Qualifikationsanforderungen der wirklichen Einwanderungsländer. Ergebnis ist das Einströmen der Minderwertigen dieser Welt nach Europa. Das heißt nichts anderes als die Erklärung eines völkischen Vernichtungskrieges: unconditional surrender (bedingungslose Kapitulation) für alle reellen Nationen der Welt, die noch keine amerikanisierte Einzelwillensnation sind.

Die natürlichen Völker der Welt täten gut daran, die amerikanische Todesdrohung ernst zu nehmen. Wie die verblichene SU-Macht, so wollte auch die US-Macht zuerst die Weltrevolution, dann die Revolution in einem Land (“Sozialismus in einem Land”) und schließlich deren Export in möglichst alle anderen Länder, damit ein sozialistisches bzw. immigrationistisches Weltsystem entstehe.

* * *

Fußnoten

  1. „Amerika ist … das Land der Zukunft, in welchem sich in vor uns liegenden Zeiten, etwa im Streite von Nord- und Südamerika, die weltgeschichtliche Wichtigkeit offenbaren soll; es ist ein Land der Sehnsucht für alle die, welche die historische Rüstkammer des alten Europa langweilt”, schreibt Hegel in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte (Werke 12, ed. Moldenhauer/Michel, S. 114); in seiner „Ästhetik” (ed. Bassenge, 2. Bd., S. 423) spekuliert Hegel über ein in Zukunft mögliches Epos, das „den Sieg dereinstiger amerikanischer lebendiger Vernünftigkeit” den Triumph Amerikas über Europa erzählen könnte. „Denn in Europa ist jetzt jedes Volk von dem anderen beschränkt und darf von sich aus keinen Krieg mit einer anderen europäischen Nation anfangen; will man jetzt über Europa hinausschicken, so kann es nur nach Amerika sein.”
  2. Übersetzung durch die Redaktion: „Die ganze liberale Konstruktion einer analytischen Wissenschaft, einer individualistischen Motivation und einer instrumentellen, nützlichkeitsorientierten Politik, die eine umfassende und objektiv gesicherte – beinahe sich selbst beweisende – Auffassung von den menschlichen Angelegenheiten zu sein schien, ist nun ins Schwimmen geraten.”
  3. Die schiere Verzweiflung der Vertreter des philosophischen Liberalismus ist verständlich
  4. Ein Vertreter der interpretativen Moral ist der polnische Jude Andrzej Szczypiorski. In der Tiefdruck-Beilage der FAZ vom 31.3.92 behauptet er, es gebe keine verbrecherischen Anschauungen, sondern nur verbrecherische Taten, und alles sei eine Frage der Interpretation. Insbesondere seien die kommunistischen Anschauungen nicht verbrecherisch, sondern auch edel”, weil der Kommunismus Gleichheit vertreten und nationale Begrenzungen verworfen habe. Da nun aber sowieso alles eine Frage der Interpretation sein soll, kommt es gar nicht mehr darauf an, ob Verbrechen begangen wurden oder nicht, sondern ob etwas als Verbrechen interpretiert werden kann. Umgekehrt ist dann ein dokumentierter siebenfacher Völkermord keineswegs ein Verbrechen, wenn der Interpret der Anschauung ist, das sei Gottes Gebot zur Einnahme des Gelobten Landes.
  5. „Die Entvaterlandung ist für jedermann ein natürliches und angeborendes Recht.”

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