Henning Eichberg schrieb vor einiger Zeit in der Zeitschrift „Wir selbst“ über den „Unsinn der Konservativen Revolution“, wobei er richtig feststellte, daß diese Wortmontage in der begrifflosen Verwendungsweise, die heute üblich ist, „keinen Erkenntnisgewinn“ bringe und nur wieder einmal ermögliche, von Volk und Nation zu schweigen. Er verwies dabei auch auf das Rehabilitierungsziel, das Armin Mohler 1950 mit der Wiedereinführung des Namens „Konservative Revolution“ für die breite literarische Strömung der Zwischenkriegszeit verfolgte. Eichberg selbst schloß sich der richtigeren Bezeichnung „Neuer Nationalismus“ an, die schon Eigenbezeichnung gewesen war, von Stefan Breuer 1993 in seinem Buch „Anatomie der Konservativen Revolution“ wieder in Vorschlag gebracht und vom „Verfassungsschutzbericht Hamburg 1995″ (S.54) übernommen wurde.
Die ideengeschichtliche Bezeichnung „Konservative Revolution“ ist andrerseits nicht unsinniger als jeder andere Name für eine Geschichtsepoche: Unter Karl dem Großen und Otto dem Großen ist ebensowenig das römische Imperium wieder auferstanden wie in der Renaissance die Antike wiedergeboren wurde oder im Absolutismus irgendetwas absolut war; auch die traurigen Ereignisse von 1789 ff. waren keine Revolution, sondern eine bornierte Standesrevolte, die bald in Terror und Größenwahn umschlug.
Der Konservativismus
Wie der politische Sozialismus so ist auch der politische Konservativismus in Deutschland im Jahre 1848 in die geschichtliche Erscheinung getreten. Der 1848 in Berlin gegründete Verein zur Wahrung der Interessen des Grundbesitzes, der sein Sprachrohr in der Kreuzzeitung („Neue Preußische Zeitung“) hatte, war die erste konservative Partei in Deutschland, – ganz ebenso, wie die Arbeitervereine die erste soziale Partei und die Kapitalbesitzervereine die erste liberale Partei waren. Die drei politisch-ideologischen Hauptströmungen der parlamentarischen Systeme – Konservativismus, Liberalismus und Sozialismus – haben sich also im historischen wie im systematischen Sinne an den drei Hauptfaktoren der ökonomischen Produktion kristallisiert: an Boden, Kapital und Arbeit. Daher gilt das Gebot: Vom Konservativismus soll schweigen, wer von Immobilien nicht reden mag. Denn eine konservative Reform des Gemeinwesens ist, vor allem anderen, eine Bodenreform. Also bedeutet eine politisch-konservative Revolution eine Bodenrechtsrevolution. Konservative Revolutionen haben also immer dort Sinn, wo Revolutionen des Bodenrechts sinnvoll sind.
Die Revolution
Leider Gottes sind unsere zahlreichen Autoren über, für und gegen die „Konservative Revolution“ allesamt folgsame Schüler des Mephisto, denen schnell ein Wort sich einstellt, wo ihnen der Begriff fehlt. Und sie haben nicht nur keinen Begriff des Konservativismus, sondern erst recht keinen der Revolution. Daher hier ein Merksatz aus dem „ABC der politischen Begriffe“ (Staatsbriefe 6/94): Revolutionen sind Umkehrung eines wesentlichen Verhältnisses im Gemeinwesen, so daß ein neues und höherrangiges Verhältnis wesen- bestimmend wird.
Beispiele für erfolgreiche und alltäglich gewordene Revolutionen sind etwa die Findung des Geldes durch Umkehrung der totalen Wertform in die allgemeine Wertform oder auch die Erfindung des Kapitals durch Umkehrung der Umlaufmittelfunktion des Geldes in seine Umlaufzweckfunktion.
Klassengegensätze
Weil der Konservativismus historisch und systematisch am Produktionsfaktor Boden sich festmacht und also eine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft bezeichnet, ist er sinnvoll verwendbar nur gemeinsam mit seinen beiden Gegenklassen des Liberalismus und des Sozialismus, die sich an den Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit verorten. Allerdings fixiert sich die Unterscheidung Konservativismus-Liberalismus-Sozialismus nicht an den Produktionsfaktoren überhaupt, sondern nur an ihren Verteilungsfaktoren. Ein Gemeinwesen von freien Grundeigentümern, die auf eigner Scholle mit eigner Kraft und eignen Mitteln arbeiten, also Mittelstand weil im Stande ihrer Mittel sind, mag zwar konservativ, liberal und sozial genannt werden, den bürgerlich-gesellschaftlichen und parlamentarischen Klassengegensatz von Konservativismus, Liberalismus und Sozialismus gibt es in solch einem mittelständischen Gemeinwesen nicht.
Der Verteilungskampf
Konservativismus existiert also nur in den Zeiten relativer Monopolisierung von Grund und Boden in den Händen einer konservativen Klasse, so daß bodenlose oder bodenarme Gegenklassen zur Erhaltung ihres Lebens oder ihres eigenen Produktionsfaktors den Mangel durch Erwerb am Faktormarkt gegen Hergabe eines von ihnen relativ monopolisierten Gegenfaktors (wie Arbeit oder Kapital) ausgleichen müssen.
Die Konservativen sind also Angehörige einer Klasse, die im Verteilungsschema der bürgerlichen Gesellschaft ständig liberalistische und sozialistische Faktorgüter in sich aufnehmen, auch, um ihren Zustand als Konservative zu erhalten. Der Konservative muß also Klassenkämpfer sein und Klassenkampfverbände – konservative Parteien und Grundeigentümerverbände – bilden, um den Verteilungskampf mit den Verbänden der Liberalisten, Sozialisten und Konsumisten zu bestehen.
Die Veräußerbarkeit
Konservative Revolution ist nicht weniger sinnvoll als liberale oder soziale Revolution. Revolutionen von Produktionsverteilungsfaktoren sind Umkehrungen von Verhältnissen der Verteilung von Produktionsfaktoren. Verteilungsfaktoren ist wesentlich, daß sie von ihren Besitzern an ihre Nichtbesitzer verteilt werden. Der Faktor als noch zu verteilender ist veräußerlich, als bereits verteilter ist er unveräußerlich – weil produktiv – geworden. Revolutionen auf dem Verteilungskampfplatz der bürgerlichen Gesellschaft sind Umkehrungen zwischen Ver- und Unveräußerbarkeit und der Minimal- und Maximalgrößen beider. Grundmuster aller Revolutionen in diesem Sektor des Gemeinwesens ist, daß die Verteilungsfaktoren gänzlich oder teilweise veräußerlich oder unveräußerlich sein sollen, damit jeder Klassen- bzw. Volksgenosse allezeit ein Konservativist, ein Liberalist oder ein Sozialist werden oder bleiben kann.
Volksrevolutionen im neuen Reich
Revolutionen im Verteilungsschema de bürgerlichen Gesellschaft sind also: Veräußerbarkeits-, Unveräußerbarkeits-, Klassen- und Volksrevolutionen in allen vier Faktoren, so daß die bürgerliche Verfassung eines Volkes sechzehn gesellschaftliche Revolutionsarten kennt.
Die Geschichte bietet eine Fülle empirischer Belege, einer sei nur herausgegriffen: Die Unveräußerlichkeit der Person seit Beginn des Mittelalters im 5. Jahrhundert war eine sozialistische Volksrevolution, die den Totalverkauf der Arbeitskraft und damit die Selbstversklavung unmöglich machte. Auf dieser sozialistischen Volksrevolution beruht also das christliche Abendland.
Das für das Vierte Reich geplante Grundrecht (Art. 3,1 RVerfE) ist die Konservative Volksrevolution der Unveräußerbarkeit von Mindestgrundstücken, das Recht auf Arbeit (Art. 15,3 RVerfE) die Sozialistische Volksrevolution der Veräußerbarkeit von Mindestarbeitskraft. Der weltweite freie Kapitalverkehr hingegen ist eine völkerzerstörende Liberale Klassenrevolution, sie ist die kapitalistische Weltrevolution der Gegenwart.