Erklärungen 17. Juni 2023

Was ist Nationalmarxismus?


von Reinhold Oberlercher

  1. Nationalmarxismus (NM) ist der vollendete Marxismus. Er ist nicht die Theorie nur einer der Klassen innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft eines Gemeinwesens, auch nicht die  klassentheoretische Vereinseitigung eines Staatsapparates als konservativer, liberaler oder sozialer Staat, sondern die Lehre von der Gesamtheit eines Gemeinwesens. Dieses, als Einheit von Staat und bürgerlicher Gesellschaft eines Volkes, prozessiert zwischen den abwechselnden Konjunkturen und Krisen von Gemeinschaft und Gesellschaft. Die Krise der Gesellschaft ist die Konjunktur der Gemeinschaft, und umgekehrt.
  2. Der Marxist Ferdinand Tönnies hat in seinem Hauptwerk „Gemeinschaft und Gesellschaft“ (1887) die Soziologie in Deutschland begründet und mit der Bevorzugung der Gemeinschaft auch bei dem liberalen Max Weber Schule gemacht.
  3. Tönnies unterteilt die Gemeinschaft in die drei Naturalformen der Verwandtschaft, der Nachbarschaft und der Freundschaft. Max Weber benennt die analogen Naturalformen als Blut, Erde und Geist. Die Wortwahl ist verschieden, die Begriffswahl aber dieselbe.
  4. Karl Marx hatte sein unvollendetes Hauptwerk „Das Kapital“ (1867,-85,-94) mit dem Begriff der Ware begonnen und also an die klassische politische Ökonomie der Engländer angeknüpft. Im Bezug auf Hegels System war die Marxsche Anfangskategorie „Ware“ identisch mit Hegels Begriff vom „Recht“ (Rechtsphilosophie § 40) und Oberlerchers Begriff von „Meinung“. Meinungen, die aus einem Bedürfnis und seiner Bedeutungsgröße bestehen, können geäußert, veräußert, ausgetauscht und erworben werden wie die Waren (Güter mit Wertgrößen) und die Rechte (Besitze mit Eigentumsgrößen) auch, und alle kann man haben, erwerben oder veräußern.
  5. Dies entdeckten aber erst ein Jahrhundert später die Theoretiker, die zur formalisierten Darstellung, Vollendung und Verbreitung der Marxschen Theorie die für die Sozialwissenschaften neu entdeckte Begriffsschrift nutzten, wie seinerzeit Luther die von Gutenberg eingeführten beweglichen Lettern zur Verbreitung der Glaubenstexte.
  6. Marx hat sich zu Hegel bekannt und dieser zu Heraklit, der mit dem Werden, der Einheit von Entstehen und Vergehen, begonnen hatte. Hegel hat Heraklit präzisiert und das Entstehen als Übergang von Nichts in Sein, das Vergehen aber als Übergang von Sein in Nichts aufgefaßt. Erst die Aufhebung der Einheit von Entstehen und Vergehen, also des Werdens, ist das Dasein.  
  7. Karl Marx unterscheidet konkrete und abstrakte Arbeit, also das güterproduzierende und das wertgrößenproduzierende Tun. Sokrates unterscheidet das theoretische Wissen, das nach wahr und falsch, und das praktische Wissen, das nach gut und böse urteilt. Platon scheidet das erkennbare Ideenreich vom wahrnehmbaren Sinnenreich. Aristoteles verwirft solche Dualismen und nimmt nur realweltliche Ursachen alles Seienden an, nämlich die Form-, Zweck-, Wirk- und Stoffursachen. Marx hat sich auf Aristoteles ausdrücklich berufen. Mit dem neuplatonischen Plotin (3. Jh. nach) trennt sich das Gute vom Gut und aus der Ding-Metaphysik der Antike wird die Person-Metaphysik des Mittelalters. - Über den Materialismus bei Marx läßt sich nur sagen, daß er nicht aufrechtzuerhalten war, weil die Materie nicht die Anfangskategorie des naturphilosophischen Systems ist, sondern Raum und Zeit sind das. Nur die Gleichheit von Raum und Zeit ist als Materie denkbar.
  8. Von Anfang an hat die abendländische Philosophie die Welt so gesehen, daß diese von einem Abstraktum und einem Konkretum geschaffen wurde. Das bleibt so bis hin zu Hegel und Marx. Am Ende und der Vollendung der abendländischen Philosophiegeschichte hat Hegel sein Werk mit Sein und Nichts als dem Werden eröffnet und Marx sein Werk mit Gut (Gebrauchs- oder Verbrauchsgegenstand) und Wertgröße als der Ware begonnen. Hegel gelang die Vollendung seines Systems 1830 noch kurz vor seinem Tode, die Vollendung des „Kapital“ (1867-) von Marx gelang erst ein Jahrhundert später den 68ern.
  9. Das Abstraktions-Konkretions-Schema findet sich schon bei dem Vorsokratiker Anaximander, der das unbestimmte Unmittelbare dem Prinzip der Gegensätzlichkeit aussetzt und damit die bestimmte Negation des Anfangs einführt. Sein Schüler Anaximenes setzt die Luft als abstraktes Grundprinzip gegen die vielfältigen Konkretionen der Welt. Und bei Heraklit ist dann das Werden der Schöpfer von allem in der Welt. Bei dem Eleaten Parmenides gibt es nur das Sein und kein Nichts. Demokrit erfindet unendlich viele unteilbare Atome und Pythagoras die Zahl als Weltgrundbaustein, womit er die zeichenphilosophische Denkweise einführte.
  10. Die Abstraktion eines bestimmten Begriffs muß sich definieren in der Konkretion eines anders bestimmten Begriffs. Dies ist auch das Urverhältnis von Waren, Rechten und Meinungen. Deren jeweiliges Abstraktum definiert seine Größe in bestimmten Mengen des begehrten Konkretums. Und dies tut auch die andere Partei. Bei Marx heißt dies Verhältnis „einfache Wertform“ und meint allein das einfachste Verhältnis zwischen zwei verschiedenen Waren. Das Grundverhältnis zwischen Waren ist zugleich ein Verhältnis zwischen Rechten und ebenso zwischen Meinungen, weil alle drei Begriffe ein und der selbe Gegenstand sind, nur eben in verschiedenen Fachsprachen ausgedrückt, die ihre je verschiedene Scheinwelt in die Vorstellung projizieren, in der sie als ein je Anderes erscheinen.
  11. Die allereinfachste, noch vorkapitalistische Kapitalform ist der Schacher, er folgt der Formel Geld-Ware-Mehrgeld. Der kapitalistische Kreislauf geht vom Geld (o) zu den Arbeitskräften (v) und den Produktionsmitteln (c), dem Ver- und Gebrauch beider in der Produktion von Waren (G,W)1,2,...,n und deren Verkauf gegen Mehrgeld (o'). Alle, die beiden Zirkulationen Einkauf und Verkauf wie die Produktion, haben den Doppelcharakter der Naturalformen (KG), also Konkrete Arbeit K und ihr Gut G, und der Verkehrsformen (AW), also Abstrakte Arbeit A und ihre Wertgröße W. In der kapitalistischen Waren-Produktion wird grundsätzlich nicht die Arbeit (v+m) bezahlt, sondern nur die Arbeitskraft (v). Der Mehrwert (m) in der Arbeit (v+m) bleibt bei dem Käufer oder Kapitalisten (C), der die Arbeitskraft (v) erworben hatte.
  12. „Das Kapital“ von Karl Marx bricht unvollendet ab mit der „trinitarischen Formel“, die die Einkommensarten Grundrente, Kapitalzins und Arbeitslohn auf die Einkommensquellen Boden, Kapital und Arbeit zurückführt. Dies ist aber nur eine Oberflächenerscheinung, weil aller Mehrwert, aus dem auch Kapital-Zins und Grund-Rente stammen, von unbezahlter Arbeit herrührt.
  13. Die Vollendung, die das Marxsche Werk im 20. Jahrhundert erfahren hat, besteht darin, daß die Herstellungslehre der Marktwirtschaft („Das Kapital“) um eine Verteilungslehre der Marktwirtschaft („Die Klassen“) und um eine Ertragslehre der Marktwirtschaft („Der Weltmarkt“) erweitert und ebenfalls formalisiert wurde. Das Kapital muß erst hergestellt und in alle seine Arten ausdifferenziert sein, bevor es sich in die Produktionsfaktoren zerlegt und der Verteilungskampf mit seinem doppelseitigen Maximierungsverhalten zu immer nur einstweiligen Resultaten führt,
  14. Mit der trinitarischen Formel von Boden (Rente), Kapital (Zins) und Arbeit (Lohn) endet die Theorie des „Kapital“ und beginnt jene der „Klassen“, also die Verteilungslehre der Marktwirtschaft, die in zehn Definitionsformeln sich äußert oder in je fünf Formeln der realen Klassen, der Wirtschaftsverbände und ihrer Kollektivverträge. Dies führt zur Verbändegesellschaft, die aber bei Unterbrechung der fünf Austauschformeln zum Klassenkrieg, oder bloß zum Verbändekrieg führen kann. Das gesellschaftliche Verteilungsschema der Volkswirtschaft kann beeinflußt werden durch Steuern, Subventionen, Zölle, Hilfen, Exporte, Importe, Sparen und Anlegen.
  15. Der Nationalstaat kontrolliert die Grenzen seines Herrschaftsbereichs und definiert auf diese Weise den Unterschied von Binnenwirtschaft und Außenwirtschaft. Es sind zehn Exportarten zu unterscheiden. Der Außenhandel ist durch mehrere Maßnahmen staatlich steuerbar: durch tarifäre und nichttarifäre Eingriffe, Exportverbote, Zwangsimporte, Mengensteuerung, Gütersteuerung oder Wertgrößensteuerung des Außenhandels. Auf dem Weltmarkt sind Weltwarenmärkte und Weltkapitalienmärkte zu unterscheiden. In der Weltwirtschaft sind weltgesellschaftliche und weltbetriebliche Arbeitsteilung zu unterscheiden.
  16. Das Gesetz des Gesamtnutzens erfordert in einer Volkswirtschaft den periodischen Wechsel von Krisen und Konjunkturen zwischen Marktwirtschaft und Eigenwirtschaft. Gleichwohl gilt in beiden Wirtschaftsarten das Gesetz des ökonomischen Gesamtnutzens. Danach besteht der Nutzen der Produktionsmittel in der Gesamtheit der Konsumgüter, und deren Nutzen ist die Gesamtarbeitskraft eines Volkes, die dessen höchstes Gut ist. Produktions- und Konsumtionsmittel sind die sonstigen Güter und der Zuwachs an nationaler Gesamtarbeitskraft ist in jeder Volkswirtschaft der letztendliche Nutzen.
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