Als Anfang dieses Jahres ein Philologen-Gremium den Ausdruck „Humankapital“ zum „Unwort des Jahres 2004“ erklärte, war die Schadenfreude bei allen Nicht-Ökonomen groß: Endlich ein Frontalangriff auf die Vorherrschaft der kapitalistischen Kategorien im öffentlichen Diskurs und endlich eine soziale Herabsetzung ihrer Verkünder, der Ökonomen. Bei denen stellte die FAZ vom 20.1.05 einen „Sturm der Entrüstung“ fest und bot zehn Lehrstuhlbesitzern das Empörungsforum. Deren Äußerungen illustrierten jedoch ungewollt die Richtigkeit des Marxschen Urteils über die akademischen Vulgärökonomen, die nur die Redensarten der praktischen Kapitalagenten pedantisieren, aber nicht den Begriff der Sache fassen und entfalten würden.
Ein Ordinarius schimpfte, die Unwortwahl sei „Pisa im Quadrat“ und das verunglimpfte Wort nur „Fachwort für Bildung und Ausbildung“. Diese Formel war der gemeinsame Nenner aller zehn Stellungnahmen. Professor Neumann (Bonn) immerhin gestand ein, seine Zunft verwende „eine Menge häßlicher Ausdrücke, man denke nur an ‚natürliche Arbeitslosigkeit’“, ohne daß ihm auffiel, daß Arbeitslosigkeit nicht natürlich, sondern gesellschaftlich bestimmt und der objektive Geist des kapitalistischen Systems ist. Professor Kleinhenz (Passau) verbietet noch ausdrücklich die „Bahnen marxistischer Kapitalismuskritik“, die er hinter der Unwortwahl vermutet; gegen deren „Gutmenschengehabe“ wettert Walter Krämer (Dortmund) wie alle neurechten Intellektuellen. Der Volkswirt Wolfgang Franz (Mannheim) erwähnt als einziger das Sachkapital und führt über die beiden elementaren Kapitalkategorien aus: „Ebenso wie in Sachkapital muß man in Humankapital investieren, also lernen, um sich es anzueignen, und leider unterliegt Humankapital auch einer Abschreibung, weil es auf Grund des technischen Fortschritts veraltet. Die Analogie ist natürlich nicht perfekt, es gibt beträchtliche Unterschiede zwischen Humankapital und anderen Kapitalgütern: Humankapital ist untrennbar mit dem Menschen verbunden.“
Human- und Sachkapital sind dasselbe wie variables und konstantes Kapital bei Karl Marx. Beide sind zunächst Teile der Gesamtgeldmenge,
– die Arbeitskräfte und Produktionsmittel kaufen, die in Produktionsprozessen vernutzt werden,
– die in fertigen Waren oder Dienstleistungen wiedererscheinen,
– die am Markt in einer größeren Geldmenge zu realisieren sind,
und so fort ins Unendliche.
Ständig muß ein Geldzuwachs, der den berühmten Mehrwert verkörpert, aus diesem Gesamtprozeß ausgeschwitzt werden, damit man von einem Kapital reden kann, denn Kapital ist nicht in „Kapitalgütern“ vorhanden, sondern nur in diesem beständigen Kreislauf gegenwärtig.
Deshalb ist es Unsinn, die irgendwie qualifizierte menschliche Arbeitskraft (ein Wort, das vollständig zu vermeiden unseren Kapital-Ideologen doch tatsächlich gelingt) Humankapital zu nennen. Auch die Herstellung von Arbeitskraft in Erziehungs-, Bildungs- und Ausbildungsprozessen ist beileibe keine „Investition in das Humankapital“, sondern die Erzeugung des pädagogischen Gutes, eben der Arbeitskraft, und die ist, wie das Leben insgesamt, bekanntlich ein Selbstzweck. Und einer sogenannten Abschreibung von Humankapital unterliegt die menschliche Arbeitskraft erst recht nicht, weil sie das durch Fortpflanzung verewigbare höchste Gut mit vielgestaltigen und vermehrbaren Qualitäten ist, aber eben kein Kapital. Denn, das hat nur eine einzige Qualität: den immergleichen eindimensionalen Wert, der sich nur quantitativ unterscheiden kann und letztlich in Gelddifferenzen ausgedrückt werden muß.
Niemand kann „in Humankapital investieren“, auch nicht in Sachkapital. Nur Kapital (der ewige Kreislauf von Geld zu mehr Geld) kann angelegt werden: in materielle, ideelle und pädagogische Produktionen. Diese Sphären menschlicher Produktionen kann sich das Kapital formell und reell subsumieren, – aber ohne von diesem ganzen Reichtum der Menschenwelt am Ende etwas anderes zu haben als ein bloßes Mehr ihrer einen armseligen Wertdimension.