Inhalt
- Einleitung (1-25)
- Zur Geschichte des Parteiensystems (26-55)
- Zur Theorie des Parteiensystems (56-70)
- Die Erneuerung (71-95)
Einleitung
- Die Nachkriegsperiode seit 1945 wird in die deutsche Geschichte einmal als Zeit der Parteienwillkür eingehen. Der Diktatur der im Führer individualisierten Volkswillkür folgte die in den Parteien, Verbänden und Kirchen organisierte Klassenwillkür. Hat in der Nazizeit das personifizierte Allgemeininteresse die legitimen Interessenverbände unterdrückt, so in der Herrschaftsperiode des deutschen Parteiensystems das Verbändeinteresse über das Nationalinteresse des Staatsvolkes triumphiert.
- Das deutsche Parteiensystem von der SED über die CSU bis zur Südtiroler Volkspartei (SVP) ist die binnenpolitische Reaktion einer eroberten und fortwährend besetzten Gesellschaft. Dieses System enthält alle Varianten möglicher Antworten auf eine prinzipiell identische, aber phänomenal höchst differenzierte Besatzungssituation. Diese reicht von der orientalischen Despotie der Russen, die nur ein bedingungsloses Quisling-Regime der SED erlaubt, bis zur nationalen Selbstbehauptung der SVP, die aber auch unter dem liberal-schlampigen italienischen Staat in die Rolle des Kollaborateurs gezwungen bleibt.
- Insbesondere die Parteien der westdeutschen Azubi-Republik sind nur von den gesamtdeutschen Extremen her zu begreifen: der SED-Typus ist der Urtyp der deutschen Nachkriegspartei; die SVP der Typus der nationalen Widerstandspartei. Zu allem Überfluß wird auch das Parteien-system in Westdeutschland zunehmend eine Gesamtpartei der deutschen Volksgruppe.
- Die Lage von Volk und Reich der Deutschen ist heute verzweifelter als am Ende des Dreißigjährigen Krieges: selbst ihre Fortexistenz wird geleugnet. Nach dem Dreißigjährigen Krieg hatten wir wenigstens das junge Preußen als Hoffnungsträger, heute haben wir nur das alte Österreich als unbesetzten Reichsteil.
- Der Quisling- und Kollaborateurscharakter des gesamt-deutschen Parteiensystems ist keineswegs ein Faktum der Böswilligkeit, sondern eines der historisch bedingten und transitorischen Notwendigkeit. Noch für einige Zeit wird der Satz, daß in Deutschland allein die politischen Kollaborateure politische Realisten sind, seine Richtigkeit behalten.
- In der SPD als ältester deutscher Partei erscheint die Krise des Parteiensystems besonders schlagend. Nationale Regungen äußern sich in Kollaborationsversuchen mit der nichtzuständigen Besatzungsmacht, der auch gesellschaftspolitische Zugeständnisse in Gestalt staatsinterventionistischer Politik-Konzepte gemacht werden. Das ideologische Hauptproblem der SPD seit dem Verzicht auf die Marxsche Theorie ist eine Trübung der alten Einsicht, daß der Kapitalismus selber die Revolution ist und staatsinterventionistischer Antikapitalismus ein zum geschichtlichen Scheitern verurteiltes konterrevolutionäres Unternehmen. Der wirtschaftsliberale Wende-Sieg von 1983 hat das bewiesen. Die politische Liquidierung der „Lehrer-SPD“, d. h. die Absprengung der staatsinterventionistischen Intelligenz zugunsten einer marktwirtschaftlich orientierten ist die Aufgabe des Tages für eine erneuerungswillige SPD.
- Der EG-Kult des westdeutschen Parteiensystems ist eine besonders charakteristische Ausprägung seiner Reichsfeindschaft. Eine vollzogene Integration Westdeutschlands in die EG wäre die endgültige Spaltung des deutschen Volkes, also der Tod des Souveräns und damit die siegreiche und besiegelte Usurpation des Deutschen Reiches durch das Parteiensystem. Allein die westeuropäischen Verbündeten des deutschen Parteiensystems verhindern noch diesen endgültigen Sieg aus nationalem Eigeninteresse. Das ist die rettende List der geschichtlichen Vernunft. Denn alles mit Euro ist schlecht. Jede Euro-Norm fällt unvermeidlich unter den deutschen Standard. Eine deutsche Partei, die so unklug wäre, Euro wirklich durchzusetzen, würde als Verderberin deutscher Qualität und damit als Zerstörerin deutscher Identität in die Geschichte eingehen.
- Die einzige Aussicht auf ein geeintes, mächtiges und daher freies Europa vom Atlantik bis zur russischen Westgrenze besteht in einem Europa der Vaterländer mit gemeinsamer Außenpolitik und Verteidigung gegenüber anderen Supermächten. Ein integrierter Föderativstaat kann und darf Europa niemals sein, will es seine Völker nicht verraten und seinen größten Reichtum, die kulturelle, zivilisatorische und natürliche Vielfalt, nicht zerstören. Selbst eine Vereinheitlichung der wirtschafts- und sozialpolitischen Prinzipien wird nur im Rahmen der drei großen Völkerfamilien Europas möglich sein. Nur innerhalb der germanischen, romanischen und slawischen Völker haben die Mentalitäten einen ausreichend hohen Verwandtschaftsgrad, um gesellschaftliche Entwicklungen wirklich koordinieren zu können. Ein künftiges Gesamteuropa wird innenpolitisch aus drei verschiedenen Pan-Bewegungen konzertiert sein: einem Euro-Pan-Germanismus (ohne Angelsachsen), einem Euro-Pan-Romanismus und einem Euro-Pan-Slawismus (ohne Russen).
- Wenn das deutsche Parteiensystem keine gesamteuropäische Ordnungsidee entwickelt, wird die NS-Idee dieser Ordnung an Attraktivität gewinnen, und zwar um so mehr, je ferner diese historische Episode rückt. Die zur Zeit noch anschwellende Antifa-Propaganda wird durch NS-Propaganda überflügelt werden – schon deshalb, weil sie verboten ist.
- Die SED ist die offenbarte Wahrheit des gesamtdeutschen Parteiensystems. Die DDR ist der deutsche Staat, in dem die deutsche Wahrheit manifest ist; und wo die Wahrheit ist, herrscht auch die Zensur. Zur Einübung in die Fähigkeit der Erneuerung sei den übrigen deutschen Parteien daher Demut gegenüber der SED angeraten als derjenigen Schwester, die das deutsche Schicksal in seiner ganzen Härte und ohne jede demokratische Illusionsmöglichkeit zu tragen hat.
- Die Grünen sind die erste Partei, die sich ohne Lizenz der Besatzungsmächte in Westdeutschland parlamentarisch etabliert hat. Sie sind ein nationales Novum, dessen sich die nichtzuständige Besatzungsmacht annimmt.
- Nach den anarchischen Grünen werden in Westdeutschland demokratische Braune auftreten. Allerdings könnte man auch die NPD als den bereits gescheiterten Versuch einer braunen demokratischen Partei ansehen. Dann wäre, als parteiengeschichtliche Antwort auf die Grünen, mit etwas Gefährlicherem zu rechnen, nämlich mit Rotbraunen. Ein wirtschaftsliberal operierender, marxistisch belehrter Sozial-Nationalismus wäre eine noch möglich scheinende Antwort auf die grüne Herausforderung des Parteiensystems.
- “Verfassungspatriotismus”: Die BRD ist ein Staat ohne Verfassung. Das Grundgesetz ist eine programmatische Nicht-Verfassung, dessen Ziel die Selbstaufhebung in einer Verfassung ist (Art. 146). Wirklicher Verfassungspatriotismus betreibt somit die schnellstmögliche Liquidierung des Grundgesetzes und Schaffung der Voraussetzung für eine verfassungsgebende Versammlung. Diese Voraussetzung aber ist die Wiedervereinigung des deutschen Volkes. Das Parteiensystem, insofern es verfassungspatriotisch ist, hat die Wiedervereinigung als Gemeinschaftsziel.
- Die Lage aller Deutschen als die Besiegten von 1945 erfordert es, dem von den Besatzern aufgezwungenen Parteiensystem zu einem Einsehen in sein politisches Wesen und dadurch wieder zu einem Ansehen im Volke zu verhelfen, eben weil dieses Volk als ein besiegtes keine andere Wahl hat, als auf dem Wege seiner Befreiung sich dieses Parteiensystems zu bedienen.
- Das angesichts der großen Parteien aufkommende Gefühl der Verlogenheit verdankt sich dem Konzept der Volkspartei. Ein ehrliches Parteienkonzept ist ein Klassen- und Klassenkoalitionskonzept, das von der notorischen Lüge jeder als Partei organisierten Klasse, das wahre Volk oder doch sein entscheidender Teil zu sein, sich verabschiedet hat.
- Die Verkommenheit des deutschen Parteiensystems ist heute größer als 1932. Aber dieses System ist heute unendlich viel sicherer, denn es gibt keine Alternative zum Parteiensystem, solange das Deutsche Reich seine Handlungsfähigkeit nicht wiedererlangt hat. Daher erklärt sich auch, weswegen die deutschen Parteien überwiegend Reichsfeinde sind.
- Obgleich nun die BRD nichts weiter als die Regentschaft für das Deutsche Reich als zur Zeit geschäftsunfähiges Völkerrechtssubjekt auf einem Teilterritorium ausübt, benimmt sich das Parteiensystem so, als sei es legitimer Herr dieser Republik und diese ein Selbstzweck. Ein Vormund aber hat das politische Vermögen seines Schutzbefohlenen mündelsicher anzulegen, statt ihn zwecks Beerbung für tot zu erklären.
- Praktisch sind heute alle Parteien gegen die deutsche Wiedervereinigung. Sie sind damit, weil sie gegen die Präambel des Grundgesetzes verstoßen und diese das Staatsziel der BRD formuliert, das in der Ermöglichung einer deutschen Verfassung liegt, verfassungsfeindlich. Die chronische Krise des westdeutschen Parteiensystems der Gegenwart ist eine Verfassungskrise, in der die Parteien als Instrumente des gesellschaftlichen Verteilungskampfes gegen den Souverän, das deutsche Volk als ganzes, rebellieren.
- Parteien sind politische Klassenkampfverbände, Verbände sind ökonomische Kirchen des Verteilungskampfes und Kirchen sind psychologische Parteien des geistigen Kampfes der Überzeugungsklassen einer Gesellschaft. In wenig differenzierten Frühstadien ihrer Entwicklung sind soziale Verbände zugleich Kirchen, Parteien und Wirtschaftsverbände.
- Lähmung und Zerfall des Parteiensystems sind die negativen Frühstadien des Prozesses der Parteienbändigung, der schließlich in eine Erneuerung des Parteiensystems einmünden muß, wenn man davon ausgeht, daß, anders als in der Endphase der Weimarer Republik, dem deutschen Volk ein das ganze Parteiensystem hinwegfegender Wutanfall (nazistische Bewegung) durch die außenpolitische Konstellation verwehrt ist.
- Das Parteiensystem als ganzes ist strategieunfähig. Seine Erneuerung ist nur möglich auf dem Wege eines verschärften Parteienkampfes um die Gunst eines Staatsvolkes, das innerhalb historisch kürzester Zeit zum wiederholten Male grundlegend parteienfeindlich geworden sein wird. Die Parteien werden damit werben, aus was sie sich alles herausgehalten haben und ihren Gegnern Machtergreifungen in staatlichen Angelegenheiten vorwerfen, in denen Parteien nichts zu suchen haben.
- Die totale Machtergreifung des Parteiensystems hat den allgemeinen Stand durch die besonderen Stände zersetzt: die gesellschaftlichen Kampfverbände haben den Staat erobert und weitgehend handlungsunfähig gemacht. Ein von den sozialen Verbänden von innen her eroberter Staat agiert nur noch auf eine charakteristische Weise: die Interessen der regierenden Klassenkoalition werden in der Form staatlicher Allgemeinheit exekutiert, weil aber diese Maßnahmen nur die Form und selten den Inhalt der Allgemeinheit haben, setzt sich der Parteienkampf innerhalb der Exekutive fort. Der Parteienverdrossenheit folgt die Staatsverdrossenheit auf dem Fuße.
- Zur gegenwärtigen Unterwerfung des Staates unter die Gesellschaft mittels ihres Parteiensystems ist die Verstaatlichung der Gesellschaft keine verlockende Alternative. Das deutsche Volk braucht ein politisches Konzept, worin die Gesellschaft als staatstragend und der Staat als gesellschaftsverträglich vorgestellt werden kann. Für den bei aller phänomenalen Verschiedenheit grundlegend identischen totalitären Charakter aller deutschen Parteien sprechen die verschiedenen Versuche, das Volk entweder als Volksgemeinschaft (NSDAP), als Gemeinschaftsklasse (SED) oder als Klassengemeinschaft (westdeutsche Parteien) aufzufassen.
- Die Bändigung der Parteien des modernen Typs setzt, sollen präsidialplebiszitäre Problemverkürzungen vermieden werden, die Einsicht voraus, daß sie nur ein Teil des viel umfassenderen Dressuraktes ist, der die kapitalistische Revolution bändigt. An der Dressierbarkeit des kapitalistischen Systems insgesamt, zu dem das Parteiensystem nur ein Subsystem bildet, hängt aber die Berechtigung der Annahme, die westliche Zivilisation habe eine Zukunft, also die Fähigkeit, ihre Sozialstruktur fortzuentwickeln und einen nachkapitalistischen Zustand zu erreichen, worin die Völker sich marktwirtschaftlicher Instrumente souverän zu bedienen wissen, anstatt von ihnen beherrscht und demoralisiert zu werden. Der Schrecken, den die Drohung mit Marktwirtschaft selbst heute noch, in einem so hochkapitalistischen Staat wie Westdeutschland, bei ganzen Berufsgruppen hervorruft, bestätigt Hegels großen Satz, daß die Menschen nicht von der Knechtschaft befreit werden müssen, sondern durch sie.
- Ein Zeichen der Hoffnung, daß das deutsche Parteiensystem erneuerbar sei, ist die Feminiierung der politischen Berufe. Sie weist deutliche Parallelen zur vorangegangenen Feminisierung der pädagogischen Berufe auf. Die Verweiblichung des Lehrerberufs war der Anfang vom Ende seiner Überschätzung. Der ideologische Totalitarismus des öffentlichen Bildungswesens ist heute schon verschwunden, obwohl seine positive Erneuerung durch marktwirtschaftliche und industrielle Reorganisation noch aussteht. Der erste Schritt jeder Erneuerung ist auch beim Parteiensystem die Herabsetzung, Unterordnung und strenge Einbindung in das gesellschaftliche Gesamtsystem. Die wirkliche Erneuerung ist die systematische Verortung des Parteiensystems im Sozialsystem, wobei der praktische Vollzug den theoretischen voraussetzt.
Zur Geschichte des Parteiensystems
- Die deutsche Geschichte, wie jede andere, ist eine Geschichte von Parteikämpfen. Diese Feststellung ist zwar trivial, aber nicht überflüssig, denn noch das westdeutsche Parteiensystem der Gegenwart ist nicht zur Gänze aus der marktwirtschaftlichen Sozialstruktur erklärbar, sondern enthält regionale (CSU) und religiöse (Zentrums-Fraktion der CDU) Residuen von großer Virulenz. Daß die regionalen oder religiösen Parteien das Reich selber in die Rolle der kämpfenden Partei gedrückt und weitgehend handlungsunfähig gemacht haben, ist leider keine historische Novität der deutschen Gegenwart.
- Als Otto der Große in der Mitte des Jahrhunderts das Reichskirchensystem erfand, um eine kaisertreue, von den Regionalparteien (Stammesherzögen) unabhängige und nicht erbliche Staatsverwaltung zu schaffen, war erstmals das deutsche Parteiensystem gebändigt worden: Die glanzvollen Jahrhunderte des Deutschen Reiches begannen.
- Im Jahrhundert verbreitern die salfränkischen Kaiser die soziale Basis der Reichsverwaltung durch Heranbildung des Ritterstandes, dem durch unfreie Gefolgsleute (Ministeriale) das frische Blut des niederen Volkes zufloß. Am Vorabend des Investiturstreites wahrte der Kaiser den Frieden in Deutschland, Italien, Burgund, Polen und Ungarn.
- Als im Jahre 1077 Kaiser Heinrich IV. seinen sprichwörtlichen Gang nach Canossa tat, hatte erstmals das deutsche Parteiensystem in Gestalt der regionalen Adelsopposition sich mit einer ausländischen Macht, dem Papst, gegen Kaiser und Reich verbündet. Dieser Hochverrat hat im deutschen Volk die Verachtung für ein jegliches Parteiensystem sehr fest begründet. Bekanntlich hat das Parteiensystern den Verrat nicht nur wiederholt, sondern zu allem Überfluß daraus, unter dem Namen der “Libertät”, sogar ein fürstliches Grundrecht gemacht. Heute haben wir keinen Kaiser, der uns die Bürde der Souveränität abnimmt, und seit 1945 befindet sich unser ganzes Volk auf einem endlosen Gang nach Canossa, aber die Vergebung seiner Sünden wird ihm solange vorenthalten, wie es seine Sünden nicht als seine wahren Tugenden erkennt.
- Als fünfzig Jahre nach Canossa im Wormser Konkordat die weltlichen und geistlichen Funktionen des Bischofsamtes getrennt wurden, war dies der erste und vom Reich teuer bezahlte Schritt zur Differenzierung der sozialen Subsysteme in Deutschland. Soziale Differenziertheit und Reichsschwäche, Reichsstärke und soziale Gleichschaltung sind seither miteinander verknüpft. Daraus entwickelte sich in der Neuzeit der Dualismus von Staat und Gesellschaft, der von der gegenwärtig herrschenden Dreifaltigkeit Politik-Ideologie-Ökonomie abgelöst wurde.
- Als nach der Schlacht von Bouvines 1214 der sizilianische Staufenkaiser Friedrich II. die Insignien des Deutschen Reiches aus den Händen des französischen Königs empfängt, ist die Trennung des deutschen Volkes von der Reichsgewalt vollzogen. Der Kaiser selber ist im deutschen Parteiensystem zur Auslandspartei geworden, die in Deutschland interveniert. Die Regionalparteien der jetzt entstehenden Landesfürstentümer werden die eigentlichen Inlandsparteien, die aber offizielle Bündnispartner und daher politische Objekte der neuen Nationalstaaten in West-europa werden. Der alte Investiturstreit war im Konflikt zwischen Friedrich II. und dem Papst ebenfalls verausländert, wobei Friedrich sich in einen Kulturpapst des Orients verwandelt hatte, der am Papst als eigentlichem Kaiser okzidentaler Politik scheiterte.
- In der schrecklichen, der kaiserlosen Zeit nach dem Untergang der Staufer kam das Prinzip der freien Wahl zur Anwendung und zeigte den Deutschen seine staatszersetzende Macht. Als die Kaiserwürde schließlich gewohnheitsmäßig beim Hause Habsburg landete, war dessen außerdeutsche Hausmacht dafür ausschlaggebend. Die Schwäche des Reiches hinderte jedoch nicht die Expansion des deutschen Volkes durch Kolonisierung des Ostens und Intensivierung seines sozialen Lebens in der Neugründung zahlreicher Städte. Mit der Vervielfachung der Städte im und Jahrhundert und ihrer wirtschaftlichen Vorherrschaft geht auch die kulturelle Hegemonie vom Ritter auf den Bürger über. Die soziale Basis für eine wesentliche Differenz innerhalb jedes modernen Parteiensystems, nämlich diejenige von Konservativismus und Liberalismus (Humanismus), ist damit gelegt.
- Der bürgerliche Humanismus strebt zurück zu den Quellen: den Quellen des Wissens in der Antike und den Quellen des kaufmännischen Reichtums in Indien. Im Jahrhundert führt die wirtschaftliche Hegemonie des Bürgers zur Globalisierung des Weltbildes (Kolumbus 1492) und seine kulturelle Hegemonie zur Mechanisierung der Schrift (Gutenberg 1440), welche das Urmodell jeder industriellen Mechanisierung ist und unmittelbar die Individualisierung der Heiligen Schrift ermöglicht. Die theologische Begründung dieses sozialen Fortschritts liefert Martin Luther 1517 nach. Die Reformation ist die erste bürgerliche Kulturrevolution in Deutschland. Politisch macht sie Epoche in der Geschichte des Parteiensystems: die Länder, die alten Regionalparteien des Reiches, werden jetzt auch ideologisch souverän und bekommen eigene Landeskirchen. Die Ritter, als Verwaltungskader des alten Reiches, sterben mit Franz von Sickingen.
- Das politische Ziel des Bauernkrieges, ein Einheitsreich unter einem Bauernkaiser, ist im Jahrhundert noch fern jeder Realisierungschance und wird erst im Jahrhundert unter Adolf Hitler Wirklichkeit.
- In seinen Reformationsschriften agitiert Luther den “christlichen Adel deutscher Nation”, also die politische Klasse Deutschlands; er und seine deutschen Landesfürsten stehen gegen den spanischen Kaiser und gegen den römischen Papst, der die deutsche Kirche in “babylonischer Gefangenschaft” hält. Der Augsburger Religionsfriede (1555) synchronisiert dann Politik und Religion: cuius regio, ejus religio. Der Westfälische Friede (1648) schließlich sanktioniert die Souveränität der regionalen und religiösen Parteien in Deutschland; die Religionsparteien werden regionalisiert und die Regionalparteien religionisiert; Schweden und Frankreich werden Garanten dieses Zustandes, womit der historische Präzedenzfall der gegenwärtigen Verfassung Deutschlands, in der Rußland und Amerika das gesamtdeutsche Parteiensystem garantieren, geschaffen war.
- Der Dreißigjährige Krieg, dieser französische Holocaust am deutschen Volke, hat den Kampf der deutschen Parteien dergestalt internationalisiert, daß ein Krieg aller europäischen Mächte gegen Deutschland daraus wurde. Jeder Versuch, Deutschland wiederzuvereinigen, hat seit dem Dreißigjährigen Krieg alle europäischen Mächte und das deutsche Parteiensystem zum Gegner. Dieser Koalition wäre nur ein in die allgemeine Wehrpflicht genommenes Volk gewachsen gewesen, also die Gesamtbewaffnung der deutschen Bauern und Kleinbürger unter einem zum Schwertadel degradierten Rittertum. Schritte in diese Richtung unternehmen die deutschen Territorialstaaten im Zeitalter des Absolutismus (Preußen mit dem meisten Erfolg).
- Die Siege Preußens in den Schlesischen Kriegen waren deutsche Siege gegen ein internationalisiertes Österreich. Mit Friedrich dem Großen war erstmals in der deutschen Geschichte ein territorialstaatlicher Reichsrebell und damit eine Regionalpartei zum Hoffnungsträger der Nation geworden: das Bild des Kaisers im Kyffhäuser konnte verblassen.
- Während die Französische Revolution die aristokratischen Köpfe rollen läßt, exekutiert Kant die metaphysischen Geister; und als Bonaparte sein Empire errichtet, baut der Deutsche Idealismus seine Systeme. Frankreich macht eine politische, Deutschland seine kulturelle Revolution. Aber die gutgemeinte Parteiergreifung für freies und gleiches Weltbürgertum schützt die Deutschen nicht davor, vom korsischen Usurpator an seine Kanonen verfüttert zu werden. Das letzte Wort des Hegelschen Weltgeistes ist schließlich das Bekenntnis zum deutschen Volksgeist.
- Nach dem Wiener Kongreß gab es in Deutschland nur noch zwei Parteien: die Partei der Staatsräson, die sich in der Heiligen Allianz internationalisiert hatte, und die Partei der Demagogen, die die Einheit der Nation und demokratische Freiheitsrechte verlangte.
- Die Europäische Revolution von 1848 ist in Deutschland der Versuch der Demagogen-Partei, die staatliche Einheit der Nation von unten zu erzwingen. Erfolgreiche Revolutionen sind aber weder von oben noch von unten zu erzwingen, sondern erfordern die konzertierte Aktion der veränderungswilligen Kräfte in allen Schichten und Klassen eines Volkes. Die Lektion eines bravourösen Zusammenwirkens der piemontesischen Staatsführung mit Garibaldis nationalrevolutionärer Basisbewegung wird den Deutschen bei der Einigung Italiens erteilt.
- Bismarck hatte zwar die italienische Lektion gelernt, aber aus dynastischem Respekt die Verausländerung Österreichs im Krieg von 1866 nicht soweit getrieben, wie historisch objektiv nötig gewesen wäre, nämlich das Haus Habsburg unter die ungarische Stephanskrone abzuschieben, sechs Millionen Deutschösterreicher aus dem internationalistischen Verband der Donaumonarchie herauszulösen und dem gesamtdeutschen Staatsverband einzufügen.
- Bismarcks Indemnitätsfrage nach dem Krieg von 1866 machte deutsche Parteiengeschichte, weil sich darüber die Liberalen wie die Konservativen in Linke und Rechte spalteten, wobei sich die Linksliberalen mit den Rechtskonservativen darin trafen, daß sie auf gesellschaftspolitischen Prinzipien beharrten, die eine nationale Einigungspolitik praktisch unmöglich gemacht hätten. Die Linksliberalen hielten an der internationalistischen Phraseologie der Französischen Revolution fest, die Altkonservativen an der preußischen Regionalpartei.
- Nach der Reichsgründung bildete sich sofort im Zentrum eine neue katholische Religionspartei, die ihrem klassenübergreifenden Charakter nach eine Volkspartei war. Im Kulturkampf profilierte sich das Reich als Gegenpartei der Religionspartei und mit den Sozialisten- und Sozialgesetzen als Gegenpartei der ersten modernen Mitgliederpartei. Diese Versuche der Bändigung des deutschen Parteiensystems, obzwar nicht durchgreifend erfolgreich, disziplinierten doch die angegriffenen Parteien und Kirchen und modernisierten das zweite deutsche Kaiserreich zum laizistischen und sozialen Staat.
- Das in einem Staat zur Nation geeinte Volk konstituiert sich bald als weltpolitische Partei gegen andere Völker: Imperialismus. Kriege zwischen Nationalstaaten sind daher Völkerkriege von ungekannter Grausamkeit, die sich bei imperialistischen Völkern zu zivilisationsfressenden Weltkriegen auswachsen: “Denn es hasset / Der sinnende Gott / Unzeitiges Wachstum. “
- Der August 1914 war jener metaphysische Augenblick, worin Wilhelm II. wie sein ganzes Volk keine Parteien mehr kannte, sondern nur noch Deutsche. Der Burgfrieden der Parteien und Verbände im Krieg war aber das Treibhaus, worin die Regierungsfähigkeit des Parteiensystems und die Parlamentarisierung der Regierung herangezüchtet wurde.
- Der Frieden brachte bei Siegern wie bei Verlierern einen Sieg der Gesellschaft über den Staat. Bei den Verlierern eskalierte sich diese grundsätzliche Situation zu einem Krieg der gesellschaftlichen Parteien im Staat.
- Das Parteiensystem vor dem Weltkrieg bestand (wie heute immer noch) aus zwei Subsystemen: den Traditionsparteien und den modernen Klassenparteien. Traditionsparteien waren die Regionalparteien (Welfen, Elsaß-Lothringer, preußische Altkonservative), die nationalen Minderheitsparteien (Polen, Dänen) und das Zentrum als katholische Religionspartei. Moderne Klassenparteien waren die Freikonservativen (Faktor Boden), die Nationalliberalen (alte Industrien), die Fortschrittspartei (neue Industrien, Ideenpolitiker, Freihändler) und die SPD (Faktor Arbeitskraft). Bei den Reichstagswahlen von 1912 löste die SPD das Zentrum in der Rolle der stärksten Fraktion ab.
- In der Weimarer Republik hatte sich das Parteiensystem leicht modifiziert: die Konservativen hatten sich zu den Deutschnationalen zusammengeschlossen, die Liberalen waren weiterhin in Links- und Rechtsliberale (DDP, DVP) gespalten, das Zentrum war immer noch zweitstärkste Fraktion. Weimar begann mit der großen Koalition aus SPD, Linksliberalen und Zentrum; Weimar endete mit der NSDAP als stärkster Fraktion, der ein demoralisiertes Parteiensystem gegenüberstand, das sich als unfähig erwiesen hatte, grundlegende soziale wie nationale Probleme zu lösen.
- Hitler schaltete das deutsche Parteiensystem an seinen beiden traditionalistischen Wurzeln gleich: mit der Gleichschaltung der Länder entzog er den Regionalparteien den Boden, und mit der laizistischen Jugend- und Familienpolitik, insbesondere dem Rassenkonzept, bekämpfte er die Religionsparteien, die ihm auch noch während des Krieges einigen Widerstand leisteten. Mit Reichsnährstand, der Deutschen Arbeitsfront usw. sollte den modernen Klassenparteien der soziale Boden entzogen werden. Ziel war eine militante “Volksfront”. Der Zweite Weltkrieg schließlich sah einerseits aus, als sollte das mittelalterliche Universalreich im Abendland restauriert werden, war andererseits aber noch radikaler, als Hitler den politischen Aberglauben dieses Universalreiches, das sich für den Fortsetzer des Römischen Reiches hielt, ernstnahm und mit der Ostexpansion eine Wiederherstellung der antiken, auf gemischte Sklavenwirtschaft gestützten Produktionsweise betrieb. Fehlerhafte Bündnispolitik des Deutschen Reiches wie der Vereinigten Staaten von Amerika führten zur Katastrophe des deutschen Zusammenbruchs, die die “allgemeine reale Staatssklaverei” (Dutschke) der asiatischen Produktionsweise Rußlands an die Elbe vorschob.
- Nach dem Zweiten Weltkrieg (cuius regio, ejus oeconomia) gab es nur Lizenzparteien der Siegermächte und eine dazugehörende Lizenzpresse. Ansonsten erschien das aus der Zeit vor 1933 vertraute Parteienspektrum wieder. Der zweite Rheinbund wird unter dem Namen einer Bundesrepublik gegründet. Nicht nur Preußen und Österreich, sondern jetzt auch noch Sachsen, bleiben aus diesem Deutschland-Ideal der Westmächte ausgeschlossen. In dieser Situation macht Adenauer als erfolgreicher Ur-Enkel von Dalbergs deutsche Parteiengeschichte, indem er die CDU als bürgerliche Volksfront aus Zentrum, Nationalliberalen (DVP) und Deutschnationalen konzipiert, deren innere Vormacht selbstredend Adenauers alte Partei, das Zentrum, bildet. Damit hat er die antiparlamentarische Form dieser bürgerlichen Volksfront, die NSDAP, parlamentarisiert und deren totalen innenpolitischen Sieg von 1933 sowie ihren außenpolitischen Zusammenbruch von 1945 gleichermaßen anerkannt.
- Die wichtigste Regionalpartei der Weimarer Republik, die Bayerische Volkspartei, bleibt im zweiten Rheinbund als CSU höchst lebendig. Die langdauernde Vorherrschaft der Unionsparteien CDU/CSU bezieht ihre Festigkeit aus der Integration von Traditionsparteien (regionale CSU und religiöses Zentrum) mit modernen Klassenparteien (Rechtsliberale, Konservative). Demgegenüber bleiben die Sozialdemokraten und die Linksliberalen (FDP) als bloße Faktor- oder Klassenparteien zunächst zweitrangig.
- Die Traditionsparteien waren schon immer Volksparteien. Der Versuch, das Konzept der Volkspartei mit modernen Klassenparteien nachzuahmen, ist die militante Volksfront, die mit einem internationalistischen (ideenpolitischen) Ansatz zu Absurditäten führt, aber mit einem nationalen Ansatz, ob nun einheitsstaatlich oder völkisch ausgelegt, erfolgreich sein kann. Resultat ist, daß eine nichttraditionelle Partei, die sich als Volkspartei darstellt, immer auf eine Klassenkoalition zielt.
- Die Große Koalition von 1966 hatte das Konzept der Volkspartei unbemerkt zu Grabe getragen. Die Politik der sozialen Modernisierung, die die sozialliberale Ära kennzeichnete, machte auch vor dem Parteiensystem nicht halt. Außer der CSU wurden alle Parteien moderne Klassenparteien. Das Verschwinden der Religionsparteien machte in den späten Siebzigern eine Repolitisierung der Kirchen sichtbar. Die sozialliberale Regierung war die erste Nachkriegsregierung in Deutschland, der wieder durch eine soziale Bewegung, die sog. Außerparlamentarische Opposition, der Weg gebahnt worden war. Die Studentenbewegung von 67/68, geführt von ihren Dutschkes aus der russischen Besatzungszone, war die erste gesamtdeutsche Bewegung seit 1945 und insofern die richtige Konsequenz aus dem vergeblichen Juni 1953.
- In den siebziger Jahren zeigte das westdeutsche Parteiensystem rheumatische Reaktionen: der Terrorismus erwies sich als hartnäckige Residualgröße der 68er Bewegung, und eine Stafette neuer sozialer Bewegungen bis hin zu ihrer Parlamentarisierung in den Grünen wollte nicht abreißen. Die sozialliberale Koalition verbrauchte ihr staatsinterventionistisches Potential einer sozialen Modernisierung und wurde Opfer einer Schilderhebung des technischen Fortschritts, gekoppelt mit einer Privatisierungskampagne und neoliberaler Kritik am Staatsinterventionismus, die bei nachlassender Güte staatlicher Dienste auf fruchtbaren Boden fiel.
- Nach der christliberalen Wende von 1983 wurde noch deutlicher, daß das derzeitige Parteiensystem bei aller Komplizität der Klassenkoalitionen doch in der Beschränktheit bloßer Gesellschaftspolitik behaftet bleibt und selbst gesellschaftspolitische Fragen von grundsätzlicher Natur, die auch größere Opfer von einer Majorität der eigenen Klientel einer regierenden Koalition fordern, nicht lösen kann. Weder wurden die Subventionen für Industrie und Landwirtschaft gestrichen, noch die Privilegien der Staatsdiener und der Berufsstände aufgehoben, und selbst außerstaatliche Zwangsmonopole gibt es noch. Ganz zu schweigen von der Unfähigkeit des Parteiensystems, die nationale Frage anzupacken oder auch nur das Problem der Massenarbeitslosigkeit zu lösen (was besonders einfach ist).
Zur Theorie des Parteiensystems
- Die an sozialen Klassen orientierten Parteien, Verbände und Kirchen, die sich in allen modernen, auf kapitalistischer Produktionsweise beruhenden Gesellschaften immer mehr durchsetzen, sind aus den Produktionsfaktoren Boden, Kapital und Arbeitskraft deduzierbar. Streng genommen sind aus den Produktionsfaktoren nur die Wirtschaftsparteien, die Verbände nämlich, abzuleiten; die politischen Parteien führen sich zurück auf die politischen Äquivalente der Produktionsfaktoren: die Staatselemente. Dem Faktor Boden entspricht politisch das Staatsgebiet, dem Faktor Kapital die Staatsgewalt, dem Faktor Arbeitskraft das Staatsvolk. Und die Gesinnungsäquivalente der Staatselemente als den politischen Produktionsfaktoren oder den Rechtsbildungsfaktoren sind die Meinungsbildungsfaktoren Standpunkt, Ideologie und Kompetenz.
- Wer ökonomisch über den Faktor Boden verfügt, hält politisch ein Recht am Staatsgebiet und ist psychologisch ein Mensch mit Standpunkt – insgesamt also ein Konservativer.
- Wer über den Faktor Kapital verfügt, hält einen ebensolchen Anteil Herrschaftspotential (Staatsgewalt) und Ideologie (Ideengewalt) – insgesamt also ein Liberaler.
- Wer über den Faktor Arbeitskraft verfügt, hat Teil an der politischen Kraft des Staatsvolkes wie an seiner psychischen Kraft oder Kompetenz – insgesamt also ein Sozialist.
- Ein staatsbürgerlicher Verband stellt die Grundmenge der politisch relevanten Rechtssubjekte in einem Lande dar, bestehend aus dem Staat und seinen Bürgern. Besitz oder Nichtbesitz der Staatselemente resp. Produktionsfaktoren unterteilt die Staatsbürger in Bürgerklassen, die ihre Faktoren zu Anrechts-, Einkommens- und Überzeugungsquellen machen, indem sie sie ihren Nichtbesitzern zur Verfügung stellen. Die Gesamtheit der Staatsbürger teilt sich somit in eine konservative, eine liberale und eine sozialistische Klasse, die miteinander gesellschaftlichen Verkehr haben müssen, wenn jedem Staatsbürger der unentbehrliche Anteil an allen drei Faktoren zukommen soll.
- Jede Bürgerklasse steht jeder anderen als eine gegenüber, die einen Faktor besitzt, den die andere benötigt. Betrachtet man den gesellschaftlichen Verteilungsprozeß der Einfachheit halber nur ökonomisch, so braucht die Klasse der Geldbesitzer (Liberale) Arbeitskraft von der Klasse der Arbeitskräfte (Sozialisten) und Gewerbegrund von der Klasse der Grundeigentümer (Konservativen), die Arbeitskräfte brauchen Geld (Lohn) von den Liberalen und Wohngrund von den Konservativen, die Grundeigentümer brauchen Geld (Grundrente) von den Liberalen und Arbeitskraft von der sozialistischen Bürgerklasse. – Haben diese Transaktionen stattgefunden, können die Kapitalisten (Liberalen) mit Lohnarbeitskraft auf Gewerbegrund den Produktfaktor herstellen und ihn soweit unter Grundeigentümer (Konservative) und Arbeitskräfte (Sozialisten) verteilen, daß sie ihr Lohngeld und ihre Grundrente zurück erhalten. Der Liberale als Anbieter des Produktfaktors ist kein produktiver Liberaler mehr, sondern ein ausgesprochener Konsumist, denn der Produktfaktor besteht aus Konsumgütern. Und jetzt kann auch die verbrauchte Arbeitskraft unter Aufbietung der ihr verbliebenen Eigenkraft und Verbrauch ihres Anteils am Produktfaktor die gesellschaftliche Gesamtarbeitskraft regenerieren, wohingegen die Konservativen und Liberalen durch Verbrauch ihres Anteils am Produktfaktor sich nur als Klasse, nicht als Produktionsfaktor, wiederherstellen. Nach diesem Verteilungsschema kann jetzt der Kreislauf der Faktoren von vorn beginnen.
- Im Prozeß der Verteilung von Einkommen, Anrechten und Überzeugungen sucht jede Klasse ihren Anteil zu maximieren. Bevor es zum Faktorentausch im Verteilungsschema kommt, stehen sich die Bürger in verschiedenen Definitionsklassen, die den Wert ihres Faktors einseitig als möglichst hoch bestimmen, gegenüber. Je zwei solcher Definitionsklassen bilden ein Verhandlungssystem, und das ganze Verteilungsschema umfaßt fünf Verhandlungssysteme mit zehn Definitionsklassen, die sämtlich den Wert ihres Faktors überhöhen und somit Maximierungsklassen sind; sie stehen sich in folgenden Frontstellungen gegenüber: antikonservativer Liberalismus versus antiliberaler Konservatismus, antisozialistischer Liberalismus versus anti-liberaler Sozialismus, antikonservativer Sozialismus versus antisozialistischer Konservatismus, antikonservativer Konsumismus versus antikonsumistischer Konservatismus, antisozialistischer Konsumismus versus antikonsumistischer Sozialismus.
- Alle Bürger, die einen bestimmten Faktor veräußern wollen, gehören zu der entsprechenden Maximierungsklasse und sind somit eine soziale Gruppierung, die ökonomisch als Kartell, politisch als Koalition und psychologisch als Meinungsgruppe erscheint. Jede Gruppierung hat die gemeinsame Absicht, ihren Faktor möglichst teuer zu veräußern. Diese Absicht läßt sich für jeden Bürger durch Beitritt in eine Gruppe als organisierter Teilmenge der Gruppierung verstetigen. Organisierte Kartelle sind Verbände, organisierte Koalitionen sind Parteien, organisierte Meinungsgruppen sind Kirchen.
- Die Gruppen (Verbände, Parteien, Kirchen) können zu den primären Verhandlungssystemen der sozialen Subjekte (Wirtschafts-, Rechts- und Gesinnungssubjekte) sekundäre Verhandlungssysteme bilden, die in ein fiktives Verteilungsschema münden, dessen Resultat nicht Faktorentausch, sondern Faktornormierung ist. Diese gruppenspezifischen Faktornormen beschleunigen den Verkehr der Realfaktoren und führen zu allgemeiner Revenuesteigerung einschließlich der staatlichen Sekundärrevenue, weswegen bei unzureichend ausgebildetem System der sozialen Gruppen die Normierungsaufgabe auch vom Staat übernommen werden kann.
- Die Gruppenbildung eines Landes, somit auch die Herausbildung seines Parteiensystems, kann sich an den Produktionsfaktoren und somit an den Einkommensklassen oder auch an den Maximierungsklassen orientieren. Im ersten Falle dominiert im Parteiensystem der substanzielle Parteityp, im zweiten Falle der funktionelle Parteityp. Substanzielle Parteiensysteme sind tendenziell Drei-Parteien-Systeme, funktionelle Parteiensysteme sind tendenziell Zehn-Parteien-Systeme. Auch bei praktischem Vorherrschen des Drei-Parteien-Systems existiert das funktionelle Parteiensystem als innerparteiliches Richtungssystem. In funktionellen Viel-Parteien-Systemen existiert das Drei-Parteien-System als zwischenparteiliches Bündnissystem. Der substanzielle Wähler ist der Stammwähler, der funktionelle Wähler der Wechselwähler.
- Der Staat ist jene juristische Person, welche über das Verteilungsschema der Einkommensklassen ein Transfersystem legen darf. Belastung und Entlastung der Faktorklassen mit Abgaben begründen die Lenkbarkeit der Gesellschaft durch den Staat.
- Bei Gruppenkonflikten ist der Gruppenkonsens durch freiwillige Schlichter, auf die sich die streitenden Verbände geeinigt haben, wiederherstellbar, oder durch staatliche Zwangsschlichtung, oder durch konzertierte Aktionen zwischen Gruppen und Staat, die verbandliche mit staatlicher Normierung kombinieren.
- Außer den Hauptklassen der modernen Gesellschaft, den Konservativen, Liberalen und Sozialisten, gibt es noch Zwischenklassen, die außer über Arbeitskraft mindestens über einen weiteren Produktionsfaktor verfügen; ökonomisch sind das die Selbständigen, politisch die Radikalen (Unabhängigen). Jene ökonomische Restklasse, die keinen einzigen Faktor realisiert und auch nicht zur Staatsklasse (Etatisten) gehört, lebt von einem über das staatliche Transfersystem mitorganisierten Transfereinkommen, das nicht unmittelbar mit den diese Werte abführenden Einkommensklassen des Verteilungsschemas konkurriert, sondern gegen das Staatseinkommen. Diese nichtstaatlichen Transferisten sind politisch, ökonomisch und ideologisch daher Staatsgegner und somit Anarchisten.
- Indem ein Staat über den Verteilungs- und Eigenbesitz eines Volkes ein Transfersystem legt, versorgt er selber sich nicht nur mit Sekundäreinkommen, sondern verwandelt zugleich den Volkswillen in eine Nationalpolitik.
- Das allgemeine und gleiche Wahlrecht aller Staatsbürger zu den Staatsparlamenten, deren Hauptrecht die Bewilligung der Transferarten, ist ein politisches Armenrecht, das allen volljährigen Bürgern gleichermaßen eingeräumt wird; sein ökonomisches Äquivalent ist die Sozialhilfe, die notfalls das Minimaleinkommen aus dem Staatshaushalt garantiert. Das ideologische Äquivalent von Wahlrecht und Sozialhilfe ist die Meinungsfreiheit des Einzelnen. Politisches und ideologisches Armenrecht treten fast immer gemeinsam auf und ziehen, zuerst in der archaischen Form des Stimmenkaufs, das ökonomische Armenrecht nach sich.
Die Erneuerung
- Über allgemeine und gleiche Wahlen zu den Staatsparlamenten und der daraus resultierenden Verteilung der Parlamentssitze läuft nur der unwichtige Teil der Politik eines Landes. Der entscheidende politische Kampf vollzieht sich zwischen den Parteien, die immer nur so stark sind wie ihr jeweiliger Rechtsbildungsfaktor (Staatselement) im Verteilungsschema der Anrechte der Bürgerklassen. Aufstieg und Niedergang einer Partei pflegt daher unmittelbar nicht von Wahlergebnissen abhängig zu sein, sondern von der spezifischen Faktorstärke. Die Stärke eines Faktors ist aber seine Knappheit.
- Die Krise der SPD ist die mangelnde Knappheit der sozialistischen Klasse in Westdeutschland. Die sozialistische Klasse aber ist der Faktor Arbeitskraft. Bis 1961 war Arbeitskraft reichlich, deutsch, gut und billig zu haben, also auch nicht sehr knapp, weil aus der russischen Besatzungszone Flüchtlinge strömten. Die konservativ-rechtsliberale Herrschaft der Unionsparteien war gesichert. Mit dem Bau der Berliner Mauer wurde deutsche Arbeitskraft knapper, das Kräfteverhältnis im Verteilungsschema verschob sich zugunsten der sozialistischen Klasse. Die Rechtsliberalen und Konservativen wehrten sich durch forcierten Import ausländischer Arbeitskräfte, was aber anfangs weder den deutschen Facharbeiter noch den deutschen Kopfarbeiter tangierte, weil die Überlegenheit gegenüber den mediterranen und orientalischen Gastarbeitern sehr groß war. Die antisozialistische Wirkung des Arbeitskräfte-Imports entfaltete sich erst nach etwa einem Jahrzehnt Assimilation und Familiennachzug, verstärkt durch die vom Ölembargo ausgelöste Weltwirtschaftskrise seit der Mitte der siebziger Jahre.
- Außer dem Ruhrgebiet sind heute alle Hochburgen der SPD gefallen. Die großstädtische Industriearbeiterschaft, statistisch sowieso eine schrumpfende Größe, besteht heute großenteils aus nicht stimmberechtigten Ausländern. Der deutsche Facharbeiter sucht teilweise Schutz bei den Konservativen vor der Ausländer-Konkurrenz. Die Konservativen instrumentalisieren dieses Thema zu Wahlkampfzwecken, haben aber nicht nur ein ökonomisches Interesse an hoher Ausländerbeschäftigung, sondern vor allem ein politisch-strategisches.
- Die SPD spekuliert, um großstädtische Industriearbeiterstimmen zurückzuholen, auf ein Stimmrecht für Ausländer. Dadurch würde sie von der sitzengelassenen Arbeiterpartei zum Parteifeind der deutschen Arbeitskräfte avancieren und die nationalen Abwehrinstinkte des ganzen Volkes auf sich ziehen. Eine Partei, die sich zu solch einer Politik bekennen würde, wäre nicht mehr erneuerungsfähig, sondern zum Untergang verurteilt; sie würde entweder aus dem Volkskörper herausgeeitert werden oder ihn vergiften.
- Würde die SPD diesen Weg gehen, käme nach ihrem Untergang und einem Aufschwung der Konservativen deren Interessenlüge zum Vorschein, und die Krise des Parteiensystems würde sich bei ihnen aktualisieren, also insgesamt nur verspätet aufbrechen. Es ist aber keine konstruktive Innenpolitik, eine Partei nach der anderen sich diskreditieren zu lassen. Umgekehrt, die Parteien müssen sich in der Reihenfolge erneuern, in der sich bei ihnen die Systemkrise aktualisiert. Dies ist heute die SPD.
- Die Erneuerung von Parteien als Instrumenten des gesellschaftlichen Verteilungskampfes besteht zunächst in der Besinnung auf ihre primären, nämlich gesellschaftlichen Aufgaben; Hauptaufgabe ist dabei immer die Beseitigung soziostruktureller Anachronismen. Die Besinnung muß zu dem Entschluß führen, die Aufgabe wirklich zu lösen. Jede soziale Frage hat aber immer nur eine nationale Lösung. Die Behauptung, irgendeine soziale Frage könne nur europäisch oder sonstwie international gelöst werden, ist in der Regel der Entschluß, die Frage nicht zu lösen, sondern möglichst zu vertagen. Die Erneuerung einer Partei beginnt also mit der Einsicht erstens in ihren Klassen(koalitions)charakter und zweitens in ihren nationalen Wirkungsrahmen.
- Die Erneuerung der SPD muß folglich mit der Einsicht in die existenziellen Bedürfnisse der deutschen Gesamtarbeitskraft beginnen. Alle sozialdemokratische Politik ist darauf auszurichten, daß Arbeitskraft in Deutschland wieder sehr knapp wird und dadurch das Staatsvolk gegenüber der Staatsgewalt und dem Staatsgebiet in die Vorhand kommt, somit der Staat insgesamt den dominierenden Charakter eines Volksstaates erhält. Das von der Brandt-SPD leichtfertig insinuierte Modell eines multikulturellen Vielvölkerstaates war die genaue und tödliche Umkehrung des alten sozialdemokratischen Volksstaat-Konzepts.
- Der Faktor Arbeitskraft kann verknappt werden, indem die Arbeitskräfte verringert oder das Staatsgebiet und die Staatsgewalt vermehrt werden. Erscheinen die beiden letzteren Möglichkeiten als unrealistisch, bleibt nur die Verknappung der Arbeitskraft durch Zwangsexport der importierten ausländischen Arbeitskraft. Damit wäre die aktuelle Massenarbeitslosigkeit in Westdeutschland beseitigt, das soziale Hauptproblem national gelöst.
- Die bisherige SPD-Antwort auf die Massenarbeitslosigkeit besteht in staatlichen Arbeitsbeschaffungsprogrammen, also in Hitlers Keynesianismus, der spätestens in der sozialliberalen Ära an Inflation und Staatsverschuldung gescheitert war. Dieser Anachronismus in den ökonomischen Maximen hat auch die Hilflosigkeit gegenüber der wirtschaftsliberalen Kritik am Staatsinterventionismus zur Folge. Remedur schaffen kann hier nur eine gründliche Aneignung der liberalen kapitalistischen Position und ihre gedankliche wie politische Vollendung, so daß ihre Grenzen nicht nur ständig behauptet und zum Anlaß voreiliger Forderungen nach Staatsintervention genommen werden, sondern der Kapitalismus wirklich vollendet und bis an die absolute Grenze seiner Verallgemeinerbarkeit getrieben wird.
- Die theoretische Vollendung des klassisch-liberalen Wirtschaftskonzepts ist aber die Marxsche Ökonomie. Der heutige Wirtschaftsliberalismus ist nur ein rechter Vulgärmarxismus, dessen Opfer die SPD geworden ist, weil sie in Godesberg ihren eigenen Marxismus und damit den theoretischen Kern ihrer historischen Identität auf den Müllhaufen der politischen Ideengeschichte gekippt hat. Heute ist die SPD auf den Stand von 1961 zurückgeworfen, nicht nur dem Stimmenanteil nach. Damals haben die sozialdemokratischen Theoretiker und Programmatiker versäumt, den deutschen Marxismus von seinen Vulgarisierungen zu befreien und ihn auf den Modernitätsstandard des späten Jahrhunderts zu bringen. Das aber haben inzwischen die 68er Theoretiker nachgeholt.
- Innenpolitisch hat die SPD gegen die bürgerliche Koalition nur die Chance, deren wirtschaftsliberales Privatisierungskonzept energischer zu vertreten, vor allem da, wo es aus Rücksicht auf die Klientel der Regierungskoalition nicht durchgesetzt oder gar in sein Gegenteil verkehrt wird. Nach der 83er Wende hat die SPD aber mit ihren Ausstiegsszenarien aus der Atomenergie erneut ihre staatsinterventionistische Erbsünde begangen, anstatt zu fordern, die Entscheidung über Sicherheit und Rentabilität der Atomenergie bei vollständig internalisierten Risiko- und Entwicklungskosten allein einem völlig liberalisierten Energiemarkt zu überlassen. Alle Atomkraftwerke hätten nach diesen Kriterien bereits aus rein betriebswirtschaftlichen Gründen abgeschaltet werden müssen, ohne daß eine Partei und eine Regierung die Entscheidung über Sein oder Nichtsein eines bestimmten Wirtschaftszweiges zu fällen hätte. Überhaupt tut eine Reinigung der Staatsaufgaben von wirtschaftlichen Aufgaben allgemein not. Insbesondere bei den Subventionsfällen Kohle, Stahl und Bahn zeigt sich die SPD durch die gutorganisierten Arbeitnehmer dieser Branchen in der Rolle leichter Erpreßbarkeit. Haupthebel der Subventionsgewinnler ist das Arbeitsplatz-Argument, weswegen eine erneuerte SPD nicht mehr für, sondern gegen Arbeitsplätze argumentieren muß, weil deren große Zahl stets ein Rückständigkeitsindikator ist. Dadurch entfremdet sich die SPD einem Teil ihrer Stammwähler in den alten Industrien, verliert aber auch den ihnen anhängenden frühproletarischen Mief und das reaktionäre Festhalten an überlebten und unerfreulichen Stufen der Industrie, das dem Ansehen dieser Partei in der übrigen Gesellschaft, besonders bei den Leistungseliten, so sehr schadet.
- Der andere Teil eines sozialdemokratischen Erneuerungsprogramms ist darauf zu richten, das Stigma der Lehrer- und Filz-Partei loszuwerden. Das kann nur gelingen, wenn sich die SPD die Forderung nach Privatisierung des öffentlichen Bildungswesens und der anderen öffentlichen Dienste zu eigen macht, um darin das kapitalistische Profitmotiv wirken zu lassen, das bisher noch stets jede ihm unterworfene Branche industrialisiert, ihren Produktausstoß vervielfacht, alle einzelnen Güter und Dienste aber rapide verbilligt hat. Das Gesundheitswesen z. B. , bei dem sich die Strukturfehler des öffentlichen Dienstes mit denen des privilegierten Berufsstandes mischen, wird auf Dauer nur bezahlbar sein, wenn die Hauptmasse der Ärzte Lohnarbeiter in kapitalistischen Medizinbetrieben werden und eine kleingewerbliche Arztpraxis der Preisauszeichnungs- und Gewährleistungspflicht unterliegt wie ein Friseurladen auch. Gleiches gilt für das Bildungswesen, für Müllabfuhr, soziale Dienste usw.
- Die fortexistierenden Berufsstände in Westdeutschland sind eine erstrangige Quelle sozialer Krisen. Die SPD hat es nötig, Furchtlosigkeit und Unerpreßbarkeit zu demonstrieren; sie sollte ein allgemeines Privilegienverbot, also praktisch die endgültige Auflösung aller Berufsstände, zu einem ihrer vornehmsten Programmpunkte machen.
- Ein allgemeines Privilegienverbot stärkt zugleich das besondere Privileg des wirklich modernen Staates, als Einziger privilegiert zu sein. Die Wiederherstellung des allgemeinen Standes, d. h. des parteienunabhängigen Berufsbeamtentums, die auch das Grundgesetz vorschreibt, ist eine Forderung an das ganze Parteiensystem, aus der jene Partei, die als erste damit Ernst macht, den größten politischen Gewinn zieht.
- Der Beamte ist privilegiert, weil er dem Staatshaushalt angehört. Im Falle der Bedürftigkeit hat er Anspruch auf Alimentation aus dem staatlichen Transfereinkommen. Die Ausübung des hoheitlichen Zwangs- und Gewaltmonopols des Staates personifiziert sich in seinen Beamten, deren Vorrecht, dem Gemeinwohl unmittelbar dienen zu dürfen, persönlich legitimiert sein muß durch den Verzicht auf normales Erwerbsstreben und entsprechendes Einkommen. Die grundgesetzwidrige Eroberung des Beamtenapparates durch das Parteiensystem hat die Beamten zu privilegierten Gehaltsempfängern gemacht, ihr Ansehen ruiniert und die Exekutive geschwächt. Mit dem moralischen Ansehen der Beamtenschaft schwand die politische Glaubwürdigkeit des westdeutschen Staates. Der sozialdemokratische Anteil an diesem Staatsverbrechen ist eine spezielle Vergewerkschaftung des deutschen Beamten. Kausales Heilmittel ist hier allein die strikte Streichung aller regulären Beamtenbezüge und die Alimentierung der Bedürftigen unter ihnen. Damit ist die Staatsklasse systematisch gleich behandelt wie die Anarchistenklasse, die im Bedarfsfalle ebenfalls vom staatlichen Transfereinkommen unterhalten wird und empirisch mit den Empfängern von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenfällt. Von der SPD ist damit verlangt, sich die ÖTV und den Beamtenbund zum Feind zu machen, um für diesen politischen Preis nicht nur zum Heros aller Steuerzahler zu werden, sondern auch, was wichtiger ist, dem westdeutschen Staatsapparat die schlampige Rheinbund-Gesinnung auszutreiben und ihm preußische Qualität zu geben. Damit erst wäre der allgemeine Stand wiederhergestellt und eine Voraussetzung geschaffen, daß die Bundesrepublik ihr Staatsziel verfolgen kann.
- Staatsziel der Bundesrepublik ist die staatliche Einheit des ganzen deutschen Volkes. Jede einzelne politische Forderung und Maßnahme kann allein von diesem Staatsziel her legitimiert werden, das auch das Programm für eine künftige und in der Vereinigungsphase unentbehrliche All-Parteien-Regierung abgibt. Parteien, die dieses Staatsziel durch ihr reales politisches Handeln nicht verfolgen, sind verfassungsfeindlich und daher zu verbieten. Da auch das Karlsruher Gericht heute nach Parteienproporz besetzt ist, ist das Verbot der die Wiedervereinigung sabotierenden Parteien eine Selbstreinigungsaufgabe des westdeutschen Parteiensystems als ganzem. Die DKP und der bolschewistische Teil der Grünen sind dringlich anstehende Verbotsfälle.
- Ein Konsens des Parteiensystems, den die SPD besonders eifrig vertritt, ist es heute, daß die Friedensfrage wichtiger als die Einheitsfrage sei. Aber nur der Abzug der Siegermächte aus Deutschland, nur der Friedensvertrag mit dem Deutschen Reich beendet die unmittelbare territoriale Konfrontation der Supermächte und beseitigt damit die größte Gefahr eines dritten Weltkrieges. Merklich unwahrscheinlicher wird ein Weltbrand nur, wenn Europa selber, mit dem Rückgrat eines wiederhergestellten Deutschen Reiches, militärische Supermacht wird, die ihre angestammte Ordnungsaufgabe in Afrika und Nahost wahrzunehmen in der Lage ist.
- Sollte der gegenwärtige Versuch, das russische Reich zu revitalisieren, von Erfolg gekrönt sein, ist Westeuropa in noch größerer Gefahr, als amerikanischer Brückenkopf vom russischen Reich (gar auf friedliche Weise) erobert zu werden. Auch eine friedliche Dienstbarmachung des westeuropäischen Potentials für das russische Imperium müßte von Amerika als entscheidend im Globalkonflikt angesehen werden: Westeuropa wäre praktisch als verlorener amerikanischer Brückenkopf Gegenstand einer Politik der verbrannten Erde; aus militärischen Sachzwängen heraus müßten die USA Westeuropa atomar vernichten.
- Weltpolitisch muß Europa als Ganzes bündnisfähig werden, um einen historischen Kompromiß mit Rußland schließen zu können, dem Mittelasien und der indische Subkontinent als Einflußsphäre zugestanden werden kann, und um gegenüber Amerika Gleichgewichtigkeit (Bipolarität) im westlichen Bündnis herzustellen. Damit wäre Europa nach so vielen Jahrhunderten, in denen es opfervoller Schauplatz der Weltgeschichte war, endlich in ihren Windschatten manövriert; Europa hätte in der künftigen Weltgeschichte, deren Schauplatz der pazifische Raum sein wird, den Platz, den Skandinavien in der europäischen Geschichte hatte.
- Auf dem Weg dorthin steht die Wiedervereinigung Gesamteuropas, das die Wiedervereinigung Gesamtdeutschlands voraussetzt, wozu die Erneuerung des westdeutschen Parteiensystems der erste Schritt ist. Die älteste deutsche Partei muß damit den Anfang machen. Als lohnende Zwischenetappe auf diesem entbehrungsreichen Weg der grundlegenden Erneuerung winkt der SPD die Möglichkeit einer Links-Rechts-Koalition mit den Deutschnationalen und den Nationalliberalen, die derzeit noch in die CDU/CSU, diese historisch obsolete bürgerliche Volksfront, eingebunden sind. Programmgrundlage solch einer sozial-konservativ-rechtsliberalen Koalition wäre der aktuelle Primat der nationalen Frage, die Einübung in eine All-Parteien-Regierung der Nationalen Einheit.
- Die unmittelbarste Aufgabe des Parteiensystems liegt auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik. Durch Beendigung der Ausländerbeschäftigung kann lediglich die aktuelle Massenarbeitslosigkeit in Westdeutschland beseitigt werden, nicht jedoch die systemimmanente, die besonders nach erneuter Entfesselung der revolutionär-kapitalistischen Dynamik auf prinzipiell allen gesellschaftlichen Gebieten mit ungekannter Schärfe hervortreten wird. Im Kapitalismus kann diese System-Arbeitslosigkeit nur anerkannt und besser organisiert, nicht aber beseitigt werden. Diese industrielle Reservearmee ist Maßstab des Erfolges und der Handlungsfähigkeit einer kapitalistisch geordneten Volkswirtschaft. Wie ihre militärischen Arrneen werden die industriellen Reservearmeen moderner Staaten nicht dafür bezahlt, daß sie Krieg bzw. Produktion machen, sondern daß sie dafür zur Verfügung stehen. Nicht destruktive oder produktive Wirklichkeiten, sondern entsprechende Möglichkeiten sind strategisch entscheidend. Viel besser organisiert werden muß natürlich der Personalaustausch zwischen aktiver Arbeiterarmee und industrieller Reservearmee, d. h. der freiwillige Zugang zur Arbeitskraftreserve sollte eher prämiert als sanktioniert werden, weil er die Zufuhr frischer Arbeitskräfte an die Produktionsfront erleichtert. Die industrielle Reservearmee oder Anarchistenklasse, weil der Staatsklasse versorgungsrechtlich gleichgestellt, kann dann in großem Umfang bei öffentlichen Aufgaben und staatlichen Sonderaktivitäten bis hin zu militärischen verwandt werden; die Verschmelzung von Staats- und Anarchistenklasse würde die Reichsverwaltung auf eine stark verbreiterte soziale Basis stellen und wäre in ihrer Wirkung der Einführung des Rittertums unter den salfränkischen Kaisern vergleichbar.
- Dieser zur einheitlichen Transferklasse integrierte und so erneuerte allgemeine Stand wäre stark genug, den gesellschaftlichen Verteilungskampf und damit auch das Parteiensystem im Zaum zu halten. Ein neu gebändigtes Parteiensystem ist die Voraussetzung für den Wiederaufstieg des Deutschen Reiches.
- Die Arbeitsmarktreform schafft auch die Voraussetzung, das zweitdringlichste Gesellschaftsproblem Westdeutschlands, die Industriestrukturreform, anzupacken. Ebenso wie es sinnlos und kostspielig ist, überflüssige Arbeiter in Beschäftigung zu halten, ist es auch mit dem Bauernstand und alten, unrentabel gewordenen Industrien. Kann ein Teil der überflüssigen Landwirtschaft noch in staatlich oder privat konsumierte Landschaftswirtschaft verwandelt werden, so gilt für überflüssige Industrien generell das Prinzip der Verkaderung: alte Branchen werden auf einen ausbildungsnotwendigen Rest reduziert, der den Fortbestand dieser veralteten industriellen Fähigkeit garantiert – Potentialisierung einer industriellen Vergangenheit, die zugleich museale Arbeit zur Belehrung und Vergnügung der Arbeitslosen bereitstellt.
- Das Zeug zur strukturellen Mehrheitspartei hat am ehesten diejenige Partei, die den Faktor Arbeitskraft vertritt. Allerdings können sich auch Konservative und Liberale eine Massenbasis verschaffen, indem sie ihren jeweiligen Faktor popularisieren. Ist nicht nur Boden und Kapital so gleichmäßig unter die Bürger verteilt, daß kaum noch einer soviel besitzt, um allein von Grundrente bzw. Kapitalzins leben zu können, und ist durch weiteren Vormarsch der reellen Subsumtion aller menschlichen Tätigkeitsbereiche unter das Kapital die Arbeit so selten geworden, daß keiner mehr sein ganzes Leben von der Vermietung seiner Arbeitskraft bestreiten kann, ist die Frage, welchem Einkommensfaktor die Wahlbürger sich am meisten verpflichtet fühlen, wieder offen.
- Kein Bürger und keine Partei darf den konstitutionellen Extremismus vergessen, zu dem jede Partei neigt: Der Extremismus des Konservatismus ist der Territorialimperialismus, weil jeder Bürger Boden haben und keiner davon enteignet werden will. Der Extremismus des Liberalismus ist die Natur- und Volkszersetzung, weil alle aus allem Kapital schlagen wollen. Der Extremismus des Sozialismus ist Faulheit und Stagnation, weil jeder für wenig Arbeit viel Lohn haben und durch Mitbestimmung den Ersatz seiner Arbeit durch Maschinen verhindern will. Der Extremismus des Radikalismus (Selbständige) ist der rechtliche Naturzustand, worin jeder gegen jeden sich behaupten muß. Der Extremismus des Etatismus ist der Absolutismus. Der Extremismus des Anarchismus ist der Parasitismus. Es ist das Wesen jeder Parteilichkeit, ihren konstitutionellen Extremismus nicht nur zu Ende zu denken, sondern ihn irgendwann in der Geschichte der Nation auch zu praktizieren. Die Mitte, sagt Hegel, ist die Vermittlung durch die Extreme hindurch. Das deutsche Volk wird seine Mitte wiederfinden, wenn es die in seiner Geschichte tatsächlich gelebten Extreme aller seiner Parteiungen in seinen Geist aufgenommen, bejaht und verarbeitet hat.