Dienstleistungen werden gewöhnlich in solche 1. an Produkten, 2. an Menschen und 3. in Geistesleistungen unterteilt. – Bevor man Dienste klassifiziert, sollte man aber sagen, was einen Dienst von einem Gut (oder Produkt) unterscheidet. Damit verhält es sich wie folgt: Ein Dienst ist jede Arbeit, die ihrer Natur nach kein selbständiges (dingliches oder geistiges) Dasein als Produkt gewinnen kann, und eine Dienstleistung ist ein veräußerbarer Dienst – der Dienst als Ware. Daraus folgt, daß eine Mutter ihren Kindern zwar unbezahlbare Dienste leisten, ihnen aber keine bezahlbaren Dienstleistungen erbringen kann.
Zu bezahlende Dienste oder Dienstleistungen sind nicht nur an Produkten und Menschen, sondern auch an allen Produktionsmitteln und –faktoren ausführbar, insofern das bediente Ding Eigentum des Dienstleistungskäufers und der Dienstleister „Besitzdiener“ (BGB) bleibt. Ein Lohnunternehmer ist ein Dienstleister, ein Zulieferer nicht. Der Haarschneider ist ein Dienstleister, der Perückenmacher ein Warenproduzent. In der Gastronomie ist die Speise eine bestellte Ware des Gastes, seine Bedienung aber eine Dienstleistung.
Häufig wird auch jede Art von Handel pauschal unter Dienstleistungen gefaßt, was falsch ist. Ein Händler, der einem Hersteller eine Ware abkauft, ist kein Dienstleister, sondern steht in gesellschaftlicher Arbeitsteilung zum Produzenten, dem er die Verkaufsarbeit abnimmt. Der Händler erwirbt das Produkt in seiner dinglichen Selbständigkeit, und insoweit er ihm noch notwendige Transport- und Lagerarbeit hinzufügt, ist er sogar Mitproduzent des Produkts für den Endverbraucher. Transport- und Lagerarbeit, also Raum- und Zeitverschiebung der Güter, ist nur dann eine Dienstleistung, wenn der Händler diese Arbeiten an Subunternehmer vergibt. Der Makler hingegen, der zwischen Käufer und Verkäufer einer Ware die Transaktion nur vermittelt und für beide Parteien Teile der Zirkulationsarbeit übernimmt, ist immer ein Dienstleister.
Geistesleistungen pauschal unter Dienstleistungen zu fassen, ist völlig irreführend. Beratung ist zwar in der Regel ein Dienst, kein Dienst aber ist das Wissen, das Produkt der theoretischen Arbeit. Wissen ist ein unverbrauchlich gebrauchbares, also potentiell ewiges Gut; der klassische Forscher ist ein geistiger Produzent, aber kein Auftragnehmer eines Dienstherrn. Der schöpferische Mensch spinnt seine Geistesfäden aus seiner menschlichen Natur heraus wie die Spinne ihr Netz aus ihrer tierischen Natur; ob das Geistesgespinst hinterher zur Ware wird oder als freies Gut der allgemeinen Nutzung offensteht, bleibt marginal. Geist ist kein Dienst, sondern immer ein Stück Vollendung.
Ein französischer Utopist (er hieß nicht Fourier, sondern Fourastier oder so ähnlich) hat vor Jahrzehnten ein Buch mit dem Titel „Die Hoffnung des 20. Jahrhunderts“1 geschrieben, mit dem in den 60er Jahren jeder Soziologiestudent belästigt wurde, weil es so etwas wie das Alte Testament des Glaubens an die Dienstleistungen war. Dienstleistungen wurden darin zu einem III. Sektor der Volkswirtschaft nach Landwirtschaft und Industrie geadelt, und dieser Sektor sollte die überflüssigen Arbeitskräfte der Industrie aufnehmen wie zuvor die Industrie die überflüssigen Landarbeiter beschäftigt hatte. Heute wird derselbe Effekt vom „ökologischen Umbau der Industriegesellschaft“ (Originalton Rot-Grün) erwartet.
Wo dem Ökonom Begriffe fehlen, stellt rasch das Wörtchen „Dienst“ sich ein. Es leistet ihm unbezahlbare Dienste: es kostet nichts, schon gar keine Anstrengung des Begriffs. Natürlich sind Landwirtschaft und Industrie keine Volkswirtschaftssektoren. Die sog. Industrialisierung ist nichts weiter als Verdrängung der menschlichen Arbeit durch Arbeitsersatzmittel (Maschinen), folglich wird von ihr nicht nur die Landwirtschaft entmenscht, sondern auch Dienstleistung, Güterherstellung und industria, der Hausfleiß. Maschinisierung ist eine der Methoden des Kapitals, relativen Extra-Mehrwert zu erzeugen.
Fußnoten
- Anmerkung des Editors: Jean Fourastié – Die große Hoffnung des 20. Jahrhunderts. Köln-Deutz 1954. ↩