Erklärungen 1. März 2001

Die Zukunft der 68er Idee


  1. Die Idee, die vergangenen Ereignissen zu Grunde liegt, hat Zukunft, wenn ihr Wesen zwar in der Vergangenheit erschienen ist und sich auch als Tatgedanke, somit als Idee, manifestiert hat, aber in der Gegenwart nur als Bündel von Taten, worin Wesentliches und Unwesentliches nicht unterschieden ist, wahrgenommen wird. Die 68er Ereignisse und ihre Bewertungen sind bis heute durch die Entgegensetzung von Positivem und Negativem, bei dem es kein Drittes zu geben scheint, gekennzeichnet. Das deutsche ’68 hatte aber einen zureichenden Grund, in den zurückgehen muß, wer es verstehen will.
  2. Die Stärke eines geschichtlichen Wesens erkennt man an der Intensität seines Scheinens in der Nachwelt. Die Denunziationskampagne gegen 68er in der BRD-Regierung ist ein mehrfach reflektierter Schein, der, weil im Schein das Wesen erscheint, die Richtigen trifft, nämlich die Verräter der 68er Idee, die theorielosen Sponti-Häuptlinge und die kommunistischen Dogmatiker der 70er Jahre. Die 70er Jahre waren das Jahrzehnt der sozialdemokratisch-kommunistischen Konterrevolution; diese wurde ihrerseits von der kapitalistischen Reaktion der 80er Jahre beerbt.
  3. Seinem geschichtlichen Wesen nach war das deutsche ’68 – nach dem 17. Juni 1953 – der zweite Aufstand gegen eine Besatzungsmacht. Die Besatzungsmächte haben nach dem völkerrechtswidrigen Grundsatz cuius regio eius oeconomia ihren jeweiligen Besatzungszonen ihre obsoleten Wirtschafts-, Politik- und Gesinnungssysteme aufgezwungen. Der 68er Studentenaufstand in West-Berlin und West-Deutschland wurde von mitteldeutschen Studenten mit Hilfe westzonaler akademischer Mitläuferjugend (die ihren Vätern häufig das Mitläufertum im Dritten Reich wie in der Adenauer-BRD vorwarf) gegen Amerika und den Kapitalismus geführt.
  4. Klaus Mehnert zufolge war ’68 die erste Weltrevolution in der Geschichte. Sie wurde von der Jugend der Industrieländer gegen die kapitalistische Geldherrschaft, gegen ihre amerikanisch-israelische Hochburg und für das Reich der Freiheit unternommen. Sie war eine erfolgreiche Wortergreifung, deren Wort künftig zuerst von dem Deutschen Volke und danach von den anderen Völkern der Welt verstanden werden muß; ansonsten sind sie unfähig, zur Machtergreifung und endlich zur Besitzergreifung ihrer Länder fortzuschreiten. Werden sie aber zur Machtergreifung fähig, dann wird mit dem Vierten Deutschen Reich in den großen Völkern der Welt das Vierte Zeitalter der Macht eröffnet, worin der Geist herrscht und das Geld, das im Dritten Zeitalter der Macht die Welt regierte, gebrochen ist. Mit der 68er Weltrevolution begann insofern das Reich der Freiheit, als es die siegreiche Wortergreifung war, die zur künftigen Macht- und Besitzergreifung des Geistes als des Vierten Zeitalters der Macht führen wird. Aber der Sinn muß erst noch recht erfaßt, die vernommenen Worte müssen richtig begriffen werden.
  5. Der seit Jahrzehnten anhaltende und gegenwärtig wieder hell entflammte Kampf um den Sinn von ’68 ist ein Kampf um das Andauern des kapitalistischen Wirtschaftssystems und des Parlamentarismus als politischer Form, in der das Geld die Welt regiert. Die ideologischen Verteidiger der Geldherrschaft suchen den Sinn von ’68 nach Kräften zu verdunkeln und den 68er Revolutionären die Konterrevolution der 70er Jahre sowie die Amerikanismen der westzonalen Mitläuferjugend als Inhalt zu unterschieben. Am Erfolg dieser intensiven Vernebelungspropaganda über ’68 hängt die ideologische Sicherung der kapitalistischen Geldherrschaft. Zerreißt der Nebelvorhang, dann wird die 68er Wortergreifung wieder virulent, und den entwickelten Völkern der Welt steht die unmittelbare Aufgabe, den Kapitalismus und also die Geldherrschaft zu brechen, wieder klar vor Augen. Für die Hintergrundmächte, die mit der Lenkung der Kapitalströme die Geschicke der Welt steuern, wird es dann eng und gefährlich. Denn wenn nach der nächsten Weltkrise der Marktwirtschaft der Vorrang der Eigenwirtschaften der Völker wiederhergestellt ist, wird der Markt insgesamt und also auch der Kapitalmarkt in die ihm zustehende Randständigkeit zurückgestellt sein.
  6. Das wahre, das weltrevolutionäre ’68 beginnt im April 1965 mit Rudi Dutschkes Festlegung des Fixpunktes der Strategie. Als dieser Fixpunkt, der Ausgangspunkt der Strategie zu sein hat, war das Endziel des technologischen Prozesses bestimmt, das damals schon deutlich erkennbar war und heute offensichtlich ist: die “tendenziell völlige Arbeitslosigkeit”1 bei gleichzeitiger arbeitsloser Produktion. Damit war das Verschwinden der Arbeiterklasse vorausgesetzt. In entwickelten Völkern konnte nun nicht mehr den Industriearbeitern die Revolution aufgebürdet werden. Die revolutionären Aufgaben hatten jene zu übernehmen, die sich das zutrauten.
  7. Zum ersten Mal in der Weltgeschichte ist in einer solchen Lage die herrschende Klasse nicht mehr bestimmt als jene, die von den Massen ernährt wird, sondern umgekehrt müssen die Herrschenden die Beherrschten ernähren. Die Herrschaft hat jetzt einen anderen Inhalt. Die Unterdrückung bezweckt nicht mehr die Privation des Mehrwerts. Das geistige Leben selbst wird im Meer der Blödsinnigkeiten ertränkt. Das Um-zu geht nur noch auf den abstrakten Machterhalt. Abstrakte Macht aber ist die Selbstabschaffung der abstrakt gewordenen Herrschaft, die alle inhaltliche Notwendigkeit verloren hat. Das Verhältnis von Herrschenden und Beherrschten hat sich dialektisch verkehrt, und in diesem Sinne wurde von 68er Theoretikern auch immer vom Ende der Herrschaft des Menschen über den (anderen) Menschen gesprochen, von Selbstbestimmung und auch von Demokratie qua Selbstbeherrschung der Völker ganz ebenso wie jedes einzelnen Menschen. Ein selbstbestimmtes Leben in unserem je eigenen, selbstbeherrschten Volk war, ist und wird sein das Ideal aller, die sich der 68er Idee verpflichtet fühlen./li>
  8. Diese dutschkistische Strategie war damals kühnste konkrete Utopie, die heute von vielen hellen Köpfen verstanden wird. Durch die technisch-industriellen und naturwissenschaftlichen Revolutionen der vergangenen Jahrzehnte ist der Dutschkismus noch leichter nachvollziehbar geworden. Er wird alle Programme und Strategien des 21. Jahrhunderts bestimmen. In allen diesen Strategien wird die rationelle Organisation des Reiches der Notwendigkeit und also die materielle Versorgung eines jeden Volkes nur die Vorübung sein, die Gestaltung des Reiches der Freiheit aber die Hauptaufgabe.
  9. Der Internationale Vietnamkongreß, den der SDS im Februar 1968 in der Technischen Universität in West-Berlin veranstaltete, war die weltgeschichtlich erste Internationale der Nationalrevolutionäre. Wir solidarisierten uns mit der vietnamesischen Revolution, dem vietnamesischen Wiedervereinigungskrieg, also mit einer nationalen Revolution, nicht aber mit konservativistischen, liberalistischen, sozialistischen oder sonstigen Revolutionen einer Klasse. Als kategorischer Imperativ folgte richtigerweise: “Es ist die Pflicht eines Revolutionärs, die Revolution zu machen!” Die deutschen Revolutionäre waren wir selber, und die kommunistischen Kommilitonen ernteten Hohngelächter, wenn sie uns auf die Arbeiter oder gar auf Gewerkschaftsarbeit verwiesen.
  10. Gegen diesen nationalrevolutionären Grundsatz von ’68 erhob sich in den 70er Jahren die sozialdemokratisch-kommunistische Konterrevolution. In ewig gestriger Manier stilisierte sie erneut die Arbeiterklasse zum Subjekt der Geschichte in ihrer Doppelung von Reform und Revolution. Sie wurden von den weiter blickenden Kräften der Konservativen und Liberalen darin bestärkt. Diese witterten in der Neubelebung des Klassenkampfschemas die Chance für eine Revitalisierung ihrer Klassenherrschaft, die in den 80er Jahren auch tatsächlich eintrat.
  11. ie Konterrevolution der 70er Jahre produzierte die Sponti-Szene als Trümmer-Bewegung der Verlierer, das Sammelsurium jener westzonalen Mitläufer der 68er, die den Rücksprung aus dem revolutionären Aufbruch in die BRD-Normalität nicht geschafft hatten. Untergründig erhielt sich die nationalrevolutionäre Linie der originären 68er, die in Nachfolgeorganisationen des SDS weiter verfolgt wurde. Der Waffen-SDS (RAF) nahm den bewaffneten Kampf auf und traf, bei allen taktischen Fehleinschätzungen und Rechtsirrtümern, auch legitime Ziele eines jeden nationalen Befreiungskampfes. Dieser manifestierte sich in Anschlägen auf Militärs der Besatzungsmacht, in Attentaten auf deutsche Kollaborateure und in der Ermordung einer Person, die die nationalrevolutionäre deutsche Volksgemeinschaft an das Interesse einer Klasse verraten hatte.
  12. Ein weiterer Exponent der nationalrevolutionären Linie in den 70er Jahren war der Theorie-SDS, der das 68er Theorieprogramm weiterverfolgte und Mitte der 80er Jahre zum Abschluß brachte. Durch ein (noch von Dutschke vorbereitetes) Bündnis mit der nationalen Rechten ab 1985 wurde diese zunehmend vom Antikapitalismus und Antiamerikanismus der originären 68er beeinflußt. Das antikapitalistische Moment verstärkte sich seit 1990 dank des Zulaufs mitteldeutscher Jugend, die sich in den Volksaufständen von Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen gegen die fremdrassischen zivilen Ersatzbesatzer eindrucksvoll zur Wehr setzte. In der ersten Hälfte der 90er Jahre brachte der Theorie-SDS in die erwachende deutsche Nationalbewegung ein Programm und eine Strategie ein, die auf der vollendeten 68er Theorie gründete. Der Theorie-SDS rekonstituierte sich 1995 als Deutsches Kolleg, als Schulungseinrichtung der nationalen Befreiungsbewegung der Deutschen, in der im Jahre 2000 Theorie und Terror, die Waffe der Theorie und die Theorie der Waffe, fusionierten. Allein die 68er Idee enthält sowohl in ihrer negativen Voraussetzung, dem nationalen Befreiungskampf gegen die Besatzungsmacht der Geldherrschaft, als auch in ihrer positiven Perspektive, der Organisation des Reiches der Freiheit, eine traditionsreiche, gegenwartssatte und zukunftsträchtige Handlungsanweisung für das Deutsche Volk und alle seine Völkergenossen.
  13. Jeder Nationalismus beginnt an den vielen Grenzen der eigenen Nation bei den anderen Nationen und somit als Internationalismus. Ebenso entsteht im Wirtschaftsleben der Markt an den Grenzen der Gemeinschaften, er fängt als Weltmarkt an und hat den immer tiefer ins Innere eindringenden Binnenmarkt, der schließlich zu seiner Ordnung die ausdifferenzierte Binnenzollmacht erfordert, zum Endresultat. Der Nationalismus ist die Wahrheit des Internationalismus. Das Maß ist die Idee des Wesens.
  14. Der älteste und verwerflichste Verräter an der 68er Idee unter den derzeitigen Mitgliedern der BRD-Regierung ist Otto Schily. Er betreibt das NPD-Verbot gerade deswegen, weil diese Partei, die 1968 noch stramm hinter der amerikanischen Besatzungsmacht und dem kapitalistischen Ausbeutungssystem stand, am entschiedensten auf anti-kapitalistischen und anti-amerikanischen Kurs gegangen ist. Dieser neue Kurs der NPD wird von der deutschen Jugend, insonderheit von der mitteldeutschen, getragen. Gegen diese Jugend hat Schily jetzt durch den Einsatz von BGS-Sondertruppen die “Kriegserklärung an den eigenen Nachwuchs” (Die Welt, 20.2.2001, S.10) ausgesprochen. Der Dutschkismus lebt heute in dieser Jugend fort, deren Gefühle sich aufbäumen gegen ein System, das im April 1968 noch einen Jungarbeiter aus Sachsen-Anhalt dazu gebracht hatte, Rudi Dutschke niederzuschießen.
  15. Jeder seelisch gesunde Mensch fühlt vor dem Kapitalismus, der Herrschaft des Geldes, einen existentiellen Ekel. Dieser Ekel ist unüberwindbar. An ihm wie an dem Wunsch nach dem Heil wird der Kapitalismus scheitern. Wahrscheinlich noch schmählicher als der Kommunismus.

Fußnote

  1. R. Dutschke, Geschichte ist machbar, ed. Miermeister, Berlin 1980, S.32
Deutsches Kolleg
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